Papier: 01.03.01 Aspekte der Entwicklungspsychologie und der Sozialisationsforschung
Originalversion
| 1 | Die Perspektive von einerseits Kindern und andererseits |
| 2 | Kindergarten bzw. Schule auf neue Medien und Internet |
| 3 | unterscheiden sich. "Während die Internetbesuche der Kinder |
| 4 | in der Freizeit vorwiegend von Spielinteressen geleitet |
| 5 | sind, sind sie im schulischen Kontext von Lehr- und |
| 6 | Lernvorgaben bestimmt". [FN: vgl.: Feil/Gieger: Das |
| 7 | Internet, ein Lernwerkzeug für Grundschulkinder?. In: |
| 8 | Bachmair (Hg.): Medienbildung in neuen Kulturräumen. |
| 9 | Wiesbaden: 2010, S. 243] Der erste nationale Bildungsbericht |
| 10 | stellte 2006 fest, dass Deutschland bei allen regionalen und |
| 11 | sozialen Unterschieden "einen im internationalen Vergleich |
| 12 | überdurchschnittlichen Ausstattungsgrad privater Haushalte |
| 13 | mit Computern und Internetanschlüssen aufweist" [FN: vgl.: |
| 14 | Bildungsbericht 2006, S. 60] und die Schule insgesamt einen |
| 15 | "vergleichsweise nachrangigen Lernort für Computernutzung |
| 16 | und den Erwerb computerbezogener Kompetenzen" [FN: vgl.: |
| 17 | Ebda., S. 63] darstellt. Dies betrifft in besonderem Maße |
| 18 | den Primarbereich. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
| 19 | |
| 20 | Im Vergleich der OECD-Staaten hinkt Deutschland bei der |
| 21 | Ausstattung seiner Schulen sowie hinsichtlich der zeitlichen |
| 22 | oder räumlichen Nutzung von Computern im Unterricht [FN: |
| 23 | vgl.: Bericht "Medienkompetenz", Abschnitt "4.2 Schülerinnen |
| 24 | und Schüler"] trotz erheblicher Erfolge in den |
| 25 | zurückliegenden Jahren noch immer deutlich hinterher und |
| 26 | liegt auch in der Sonderauswertung "Students On Line" auf |
| 27 | der Basis von PISA 2009 (Schüler im Alter von 15 Jahren) |
| 28 | weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt. [FN: vgl.: |
| 29 | http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/free/9811031e.pdf , |
| 30 | S. 151] Befragungen auf Länderebene belegen ebenfalls eine |
| 31 | schwache Integration von (insbesondere digitalen) Medien als |
| 32 | Mittel für den Unterricht. Noch seltener sind sie Inhalt von |
| 33 | Unterricht. [FN: Anmerkung: Befragt wurden z.B. über 1000 |
| 34 | niedersächsische Lehrkräfte (Gysbers, 2008), ca. 5000 |
| 35 | bayerische Lehrkräfte (Bofinger, 2007) und über 1400 |
| 36 | Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen (Breiter, Welling & |
| 37 | Stolpmann, 2010).] |
| 38 | |
| 39 | Gleichzeitig besteht auch eine Diskrepanz zwischen der |
| 40 | Möglichkeit zur sowie der tatsächlichen Nutzung von neuen |
| 41 | Medien im Unterricht. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
| 42 | Der Anteil von Lehrpersonal mit tendenziell ablehnender |
| 43 | Haltung gegenüber dem IT-Einsatz im Klassenzimmer ist in |
| 44 | Deutschland dreimal so groß wie im europäischen |
| 45 | Durchschnitt. [FN: vgl.: Revermann, Christoph/ Georgieff. |
| 46 | Peter/ Kimpeler, Simone 2007: Mediennutzung und eLearning in |
| 47 | Schulen, TAB-Arbeitsbericht Nr. 122. Berlin 2007, online |
| 48 | abrufbar: |
| 49 | http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/a |
| 50 | b122.html] Während britische Pädagogen der IT-Nutzung |
| 51 | positiv gegenüber stehen, über gute Kenntnisse und |
| 52 | Fertigkeiten im Umgang mit Computern verfügen, schätzen |
| 53 | deutsche Pädagogen ihre IT-Kenntnisse "insgesamt eher |
| 54 | kritisch ein". [FN: vgl.: ebd., S. 8] |
| 55 | Im Vergleich der Studierenden zeigt sich, dass |
| 56 | Lehramtsstudierende in Bezug auf Medienkompetenzen und im |
| 57 | Hinblick auf Einstellungen zu digitalen Medien gegenüber |
| 58 | Studierenden anderer Studiengänge schlechter abschneiden. |
| 59 | [FN: vgl.: Herzig & Grafe, 2007, S. 110; Kammerl & |
| 60 | Pannarale, 2007a ] Befunde legen nahe, dass insbesondere |
| 61 | Studierende im Lehramt Grundschule ihre Kompetenzen deutlich |
| 62 | unterdurchschnittlich einschätzen und neuen Medien insgesamt |
| 63 | negativer gegenüberstehen als Studierende anderer |
| 64 | Studiengänge. [FN: vgl.: Kammerl & Pannarale, 2007b, S. |
| 65 | 6838f.] Doch es gibt auch eine insgesamt "breite Akzeptanz |
| 66 | für digitale Medien", wie beispielsweise eine Umfrage unter |
| 67 | Lehrerinnen und Lehrern im Auftrag des BITKOM herausgefunden |
| 68 | hat. [FN: vgl.: |
| 69 | http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Praesentation_L |
| 70 | ehrerumfrage_IT_in_Schulen_09_05_2011_final.pdf, Folie 4] |
| 71 | Demnach besitzen 75 Prozent der Lehrkräfte ein positives |
| 72 | Verhältnis zu elektronischen Medien. Die Vermutung, dass die |
| 73 | Nutzung elektronischer Medien mit dem Lebensalter der |
| 74 | Lehrkräfte verbunden sei und damit auf einem Kohorteneffekt |
| 75 | beruhe, die Jüngeren gegenüber den Älteren also |
| 76 | grundsätzlich verstärkt mit und über neue Medien |
| 77 | unterrichten, mag naheliegend erscheinen und wird in Studien |
| 78 | durchaus bestätigt. [FN: vgl.: ebd., Folien 5 und 7. |
| 79 | Anmerkung: Von den Lehrerinnen und Lehrern bis 40 Jahre |
| 80 | nutzen 53 Prozent den Computer täglich oder mehrmals |
| 81 | wöchentlich für die Vorbereitung ihres Unterrichts, nur 18 |
| 82 | Prozent nutzen ihn selten und damit weniger als einmal pro |
| 83 | Woche. Von den über 51-Jährigen dagegen nutzen ihn zwar 47 |
| 84 | Prozent häufig, 31 Prozent jedoch selten. Vor allem zählen |
| 85 | nur 17 Prozent der bis 40-Jährigen zu den Skeptikern des |
| 86 | Einsatzes elektronischer Medien im Unterricht, während es |
| 87 | bei den über 51-Jährigen 38 Prozent sind.] Elektronische |
| 88 | Medien werden von einem Großteil der Lehrkräfte aber auch |
| 89 | als Störfaktor für die kindliche Entwicklung angesehen. [FN: |
| 90 | vgl.: Breiter et al. (2010)] |
| 91 | |
| 92 | Da die Schule einen nachrangigen Lernort für den Erwerb |
| 93 | computerbezogener Kompetenzen darstellt, ist davon |
| 94 | auszugehen, dass Kinder und Jugendliche beim Kompetenzerwerb |
| 95 | insbesondere auf das Elternhaus, auf Familie, Freunde und |
| 96 | den sozialen Nahbereich angewiesen sind. Fast alle Kinder |
| 97 | und Jugendliche haben zuhause Internetzugang [FN: Vgl.: |
| 98 | http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf, S.5.]. |
| 99 | Die Bedeutung, die in den Familien der Internetnutzung |
| 100 | zugewiesen wird, unterscheidet sich dabei aber deutlich nach |
| 101 | dem Bildungshintergrund der Eltern. Im Vergleich zu Eltern |
| 102 | mit Hauptschulabschluss halten mehr als doppelt so viele |
| 103 | Eltern mit Abitur oder Studium das Internet für das |
| 104 | unverzichtbarste Medium für den Lern- und Schulerfolg ihrer |
| 105 | Kinder. [FN: Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund |
| 106 | Südwest: KIM-Studie 2010. Online abrufbar unter: |
| 107 | http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf, S. 59f. |
| 108 | (ebenso den Bericht der Enquetekommission zur |
| 109 | Medienkompetenz, S. 24.)] |
| 110 | Befragt nach dem Einsatz digitaler Medien in der Schule |
| 111 | geben zwischen 50 Prozent (PIRLS/IGLU 2006) und 66 Prozent |
| 112 | (mpfs 2011, 28) der Schüler an, dass sie nie mit digitalen |
| 113 | Medien in der Schule lernen. Nur etwa jeder dritte Schüler |
| 114 | im Alter von sechs bis 13 Jahren hat den Einsatz eines |
| 115 | Computers im Unterricht erlebt, obwohl nach den letzten |
| 116 | Zahlen rechnerisch mindestens ein Gerät pro neun Schülern in |
| 117 | dieser Schulart zur Verfügung stehen müsste (Schuljahr |
| 118 | 2007/2008 nach KMK 2008). |
| 119 | |
| 120 | Dabei ist die Situation in den verschiedenen Altersgruppen |
| 121 | unterschiedlich. Betrachtet man die Gruppe der Grundschüler, |
| 122 | so zeigt sich, dass bei den sechs- bis sieben-Jährigen die |
| 123 | Hälfte Computernutzer ist (mpfs, 2011). Anteile und |
| 124 | Nutzungsfrequenz steigen dann schnell an. Mit Ende der |
| 125 | vierten Klasse sind bereits über 80 Prozent regelmäßige |
| 126 | Computer- und Internetnutzer. Bereits im Alter ab acht |
| 127 | Jahren sind sie dabei in der Regel alleine. Dies ist mit |
| 128 | Hinblick auf mögliche Problemfelder betreffend |
| 129 | jugendgefährdender Inhalte, kommerzieller Interessen von |
| 130 | Internetanbietern und möglichen Kontakten zu Fremden aus der |
| 131 | entwicklungspsychologischen Perspektive nicht ohne Risiko. |
| 132 | |
| 133 | Längst haben die digitalen Medien auch in dieser |
| 134 | Altersgruppe die Praxis klassischer Kulturtechniken |
| 135 | verändert. So ergab eine Umfrage unter Hamburger |
| 136 | Schülerinnen und Schülern der 3. Klasse, dass zwei Drittel |
| 137 | der Schülerinnen und Schüler mehrfach in der Woche zum |
| 138 | Vergnügen ein Buch lesen. Rund die Hälfte liest mehrfach in |
| 139 | der Woche im Internet. Ähnlich wie im Kindergarten fand in |
| 140 | den Primarschulen bis Anfang der 1990er kaum Medienerziehung |
| 141 | statt. Die Förderung von Lesekompetenz im Primarbereich ist |
| 142 | auch heute noch vor allem auf das Buch ausgerichtet. |
| 143 | Elektronische Medien werden von einem Großteil der |
| 144 | Lehrkräfte als Störfaktor für die kindliche Entwicklung |
| 145 | angesehen, es wird aber pädagogisch wenig unternommen, um |
| 146 | den Einfluss auf die eigenen Schülerinnen und Schüler zu |
| 147 | schmälern. So berichten Breiter et al. (2010), dass in ihrer |
| 148 | Stichprobe in Nordrhein-Westfalen [FN: Von den 93 |
| 149 | ausgewählten Schulen mit etwa 3500 Lehrkräften beteiligten |
| 150 | sich im Frühsommer 2009 1458 Personen an der Befragung.] |
| 151 | jeweils fast drei Viertel der Lehrkräfte tendenziell den |
| 152 | Aussagen zustimmen, dass (1) die unkontrollierte Nutzung des |
| 153 | Internets zu viele Risiken birgt, (2) das Kollegium für die |
| 154 | Risiken der Mediennutzung sensibilisiert ist und (3) die |
| 155 | Schule die Schülerinnen und Schüler vor negativen Einflüssen |
| 156 | der Medien schützen muss. Andererseits nutzt nicht einmal |
| 157 | ein Fünftel der Lehrkräfte den Unterricht, um zumindest |
| 158 | gelegentlich mit ihren Schülerinnen und Schülern deren |
| 159 | Medienhandeln und den bewussten und kontrollierten Umgang |
| 160 | mit Medien zu reflektieren (Breiter et al., 2010). |
| 161 | |
| 162 | Für die Jugendlichen stellt sich die Situation ähnlich dar. |
| 163 | Rund 90% ist täglich oder mehrmals die Woche online (mpfs, |
| 164 | 2010). Die Hälfte der in der JIM-Studie 2010 befragten |
| 165 | Jugendlichen gab an, den Computer und das Internet täglich |
| 166 | oder mehrmals pro Woche zu Hause zum Arbeiten bzw. Lernen |
| 167 | für die Schule zu nutzen, aber nur insgesamt 16% arbeiten |
| 168 | mit Computer und Internet auch in der Schule mehrmals die |
| 169 | Woche. Dabei zeigt sich, dass die genannten Defizite nicht |
| 170 | allein auf Kompetenzen oder Motivationen von Lehrkräften |
| 171 | zurückzuführen sind, sondern in erster Linie auf die |
| 172 | mangelnde strukturelle Verankerung in den Curricula. |
| 173 | |
| 174 | Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Eltern wünschen |
| 175 | sich, dass digitale Medien in der Schule eine größere Rolle |
| 176 | spielen. Die Schüler stehen einem Lernen mit Computer und |
| 177 | Internet sehr positiv gegenüber. Erfahrungen aus |
| 178 | Notebook-Projekten deuten darauf hin, dass diese Motivation |
| 179 | auch längerfristig anhält. [FN: vgl.: Behörde für Schule und |
| 180 | Berufsbildung (Hrsg.): Hamburger Netbook-Projekt. Hamburg: |
| 181 | 2010.] |
Der Text verglichen mit der Originalversion
| 1 | Die Perspektive von einerseits Kindern und andererseits |
| 2 | Kindergarten bzw. Schule auf neue Medien und Internet |
| 3 | unterscheiden sich. "Während die Internetbesuche der Kinder |
| 4 | in der Freizeit vorwiegend von Spielinteressen geleitet |
| 5 | sind, sind sie im schulischen Kontext von Lehr- und |
| 6 | Lernvorgaben bestimmt". [FN: vgl.: Feil/Gieger: Das |
| 7 | Internet, ein Lernwerkzeug für Grundschulkinder?. In: |
| 8 | Bachmair (Hg.): Medienbildung in neuen Kulturräumen. |
| 9 | Wiesbaden: 2010, S. 243] Der erste nationale Bildungsbericht |
| 10 | stellte 2006 fest, dass Deutschland bei allen regionalen und |
| 11 | sozialen Unterschieden "einen im internationalen Vergleich |
| 12 | überdurchschnittlichen Ausstattungsgrad privater Haushalte |
| 13 | mit Computern und Internetanschlüssen aufweist" [FN: vgl.: |
| 14 | Bildungsbericht 2006, S. 60] und die Schule insgesamt einen |
| 15 | "vergleichsweise nachrangigen Lernort für Computernutzung |
| 16 | und den Erwerb computerbezogener Kompetenzen" [FN: vgl.: |
| 17 | Ebda., S. 63] darstellt. Dies betrifft in besonderem Maße |
| 18 | den Primarbereich. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
| 19 | |
| 20 | Im Vergleich der OECD-Staaten hinkt Deutschland bei der |
| 21 | Ausstattung seiner Schulen sowie hinsichtlich der zeitlichen |
| 22 | oder räumlichen Nutzung von Computern im Unterricht [FN: |
| 23 | vgl.: Bericht "Medienkompetenz", Abschnitt "4.2 Schülerinnen |
| 24 | und Schüler"] trotz erheblicher Erfolge in den |
| 25 | zurückliegenden Jahren noch immer deutlich hinterher und |
| 26 | liegt auch in der Sonderauswertung "Students On Line" auf |
| 27 | der Basis von PISA 2009 (Schüler im Alter von 15 Jahren) |
| 28 | weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt. [FN: vgl.: |
| 29 | http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/free/9811031e.pdf , |
| 30 | S. 151] Befragungen auf Länderebene belegen ebenfalls eine |
| 31 | schwache Integration von (insbesondere digitalen) Medien als |
| 32 | Mittel für den Unterricht. Noch seltener sind sie Inhalt von |
| 33 | Unterricht. [FN: Anmerkung: Befragt wurden z.B. über 1000 |
| 34 | niedersächsische Lehrkräfte (Gysbers, 2008), ca. 5000 |
| 35 | bayerische Lehrkräfte (Bofinger, 2007) und über 1400 |
| 36 | Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen (Breiter, Welling & |
| 37 | Stolpmann, 2010).] |
| 38 | |
| 39 | Gleichzeitig besteht auch eine Diskrepanz zwischen der |
| 40 | Möglichkeit zur sowie der tatsächlichen Nutzung von neuen |
| 41 | Medien im Unterricht. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
| 42 | Der Anteil von Lehrpersonal mit tendenziell ablehnender |
| 43 | Haltung gegenüber dem IT-Einsatz im Klassenzimmer ist in |
| 44 | Deutschland dreimal so groß wie im europäischen |
| 45 | Durchschnitt. [FN: vgl.: Revermann, Christoph/ Georgieff. |
| 46 | Peter/ Kimpeler, Simone 2007: Mediennutzung und eLearning in |
| 47 | Schulen, TAB-Arbeitsbericht Nr. 122. Berlin 2007, online |
| 48 | abrufbar: |
| 49 | http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/a |
| 50 | b122.html] Während britische Pädagogen der IT-Nutzung |
| 51 | positiv gegenüber stehen, über gute Kenntnisse und |
| 52 | Fertigkeiten im Umgang mit Computern verfügen, schätzen |
| 53 | deutsche Pädagogen ihre IT-Kenntnisse "insgesamt eher |
| 54 | kritisch ein". [FN: vgl.: ebd., S. 8] |
| 55 | Im Vergleich der Studierenden zeigt sich, dass |
| 56 | Lehramtsstudierende in Bezug auf Medienkompetenzen und im |
| 57 | Hinblick auf Einstellungen zu digitalen Medien gegenüber |
| 58 | Studierenden anderer Studiengänge schlechter abschneiden. |
| 59 | [FN: vgl.: Herzig & Grafe, 2007, S. 110; Kammerl & |
| 60 | Pannarale, 2007a ] Befunde legen nahe, dass insbesondere |
| 61 | Studierende im Lehramt Grundschule ihre Kompetenzen deutlich |
| 62 | unterdurchschnittlich einschätzen und neuen Medien insgesamt |
| 63 | negativer gegenüberstehen als Studierende anderer |
| 64 | Studiengänge. [FN: vgl.: Kammerl & Pannarale, 2007b, S. |
| 65 | 6838f.] Doch es gibt auch eine insgesamt "breite Akzeptanz |
| 66 | für digitale Medien", wie beispielsweise eine Umfrage unter |
| 67 | Lehrerinnen und Lehrern im Auftrag des BITKOM herausgefunden |
| 68 | hat. [FN: vgl.: |
| 69 | http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Praesentation_L |
| 70 | ehrerumfrage_IT_in_Schulen_09_05_2011_final.pdf, Folie 4] |
| 71 | Demnach besitzen 75 Prozent der Lehrkräfte ein positives |
| 72 | Verhältnis zu elektronischen Medien. Die Vermutung, dass die |
| 73 | Nutzung elektronischer Medien mit dem Lebensalter der |
| 74 | Lehrkräfte verbunden sei und damit auf einem Kohorteneffekt |
| 75 | beruhe, die Jüngeren gegenüber den Älteren also |
| 76 | grundsätzlich verstärkt mit und über neue Medien |
| 77 | unterrichten, mag naheliegend erscheinen und wird in Studien |
| 78 | durchaus bestätigt. [FN: vgl.: ebd., Folien 5 und 7. |
| 79 | Anmerkung: Von den Lehrerinnen und Lehrern bis 40 Jahre |
| 80 | nutzen 53 Prozent den Computer täglich oder mehrmals |
| 81 | wöchentlich für die Vorbereitung ihres Unterrichts, nur 18 |
| 82 | Prozent nutzen ihn selten und damit weniger als einmal pro |
| 83 | Woche. Von den über 51-Jährigen dagegen nutzen ihn zwar 47 |
| 84 | Prozent häufig, 31 Prozent jedoch selten. Vor allem zählen |
| 85 | nur 17 Prozent der bis 40-Jährigen zu den Skeptikern des |
| 86 | Einsatzes elektronischer Medien im Unterricht, während es |
| 87 | bei den über 51-Jährigen 38 Prozent sind.] Elektronische |
| 88 | Medien werden von einem Großteil der Lehrkräfte aber auch |
| 89 | als Störfaktor für die kindliche Entwicklung angesehen. [FN: |
| 90 | vgl.: Breiter et al. (2010)] |
| 91 | |
| 92 | Da die Schule einen nachrangigen Lernort für den Erwerb |
| 93 | computerbezogener Kompetenzen darstellt, ist davon |
| 94 | auszugehen, dass Kinder und Jugendliche beim Kompetenzerwerb |
| 95 | insbesondere auf das Elternhaus, auf Familie, Freunde und |
| 96 | den sozialen Nahbereich angewiesen sind. Fast alle Kinder |
| 97 | und Jugendliche haben zuhause Internetzugang [FN: Vgl.: |
| 98 | http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf, S.5.]. |
| 99 | Die Bedeutung, die in den Familien der Internetnutzung |
| 100 | zugewiesen wird, unterscheidet sich dabei aber deutlich nach |
| 101 | dem Bildungshintergrund der Eltern. Im Vergleich zu Eltern |
| 102 | mit Hauptschulabschluss halten mehr als doppelt so viele |
| 103 | Eltern mit Abitur oder Studium das Internet für das |
| 104 | unverzichtbarste Medium für den Lern- und Schulerfolg ihrer |
| 105 | Kinder. [FN: Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund |
| 106 | Südwest: KIM-Studie 2010. Online abrufbar unter: |
| 107 | http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf, S. 59f. |
| 108 | (ebenso den Bericht der Enquetekommission zur |
| 109 | Medienkompetenz, S. 24.)] |
| 110 | Befragt nach dem Einsatz digitaler Medien in der Schule |
| 111 | geben zwischen 50 Prozent (PIRLS/IGLU 2006) und 66 Prozent |
| 112 | (mpfs 2011, 28) der Schüler an, dass sie nie mit digitalen |
| 113 | Medien in der Schule lernen. Nur etwa jeder dritte Schüler |
| 114 | im Alter von sechs bis 13 Jahren hat den Einsatz eines |
| 115 | Computers im Unterricht erlebt, obwohl nach den letzten |
| 116 | Zahlen rechnerisch mindestens ein Gerät pro neun Schülern in |
| 117 | dieser Schulart zur Verfügung stehen müsste (Schuljahr |
| 118 | 2007/2008 nach KMK 2008). |
| 119 | |
| 120 | Dabei ist die Situation in den verschiedenen Altersgruppen |
| 121 | unterschiedlich. Betrachtet man die Gruppe der Grundschüler, |
| 122 | so zeigt sich, dass bei den sechs- bis sieben-Jährigen die |
| 123 | Hälfte Computernutzer ist (mpfs, 2011). Anteile und |
| 124 | Nutzungsfrequenz steigen dann schnell an. Mit Ende der |
| 125 | vierten Klasse sind bereits über 80 Prozent regelmäßige |
| 126 | Computer- und Internetnutzer. Bereits im Alter ab acht |
| 127 | Jahren sind sie dabei in der Regel alleine. Dies ist mit |
| 128 | Hinblick auf mögliche Problemfelder betreffend |
| 129 | jugendgefährdender Inhalte, kommerzieller Interessen von |
| 130 | Internetanbietern und möglichen Kontakten zu Fremden aus der |
| 131 | entwicklungspsychologischen Perspektive nicht ohne Risiko. |
| 132 | |
| 133 | Längst haben die digitalen Medien auch in dieser |
| 134 | Altersgruppe die Praxis klassischer Kulturtechniken |
| 135 | verändert. So ergab eine Umfrage unter Hamburger |
| 136 | Schülerinnen und Schülern der 3. Klasse, dass zwei Drittel |
| 137 | der Schülerinnen und Schüler mehrfach in der Woche zum |
| 138 | Vergnügen ein Buch lesen. Rund die Hälfte liest mehrfach in |
| 139 | der Woche im Internet. Ähnlich wie im Kindergarten fand in |
| 140 | den Primarschulen bis Anfang der 1990er kaum Medienerziehung |
| 141 | statt. Die Förderung von Lesekompetenz im Primarbereich ist |
| 142 | auch heute noch vor allem auf das Buch ausgerichtet. |
| 143 | Elektronische Medien werden von einem Großteil der |
| 144 | Lehrkräfte als Störfaktor für die kindliche Entwicklung |
| 145 | angesehen, es wird aber pädagogisch wenig unternommen, um |
| 146 | den Einfluss auf die eigenen Schülerinnen und Schüler zu |
| 147 | schmälern. So berichten Breiter et al. (2010), dass in ihrer |
| 148 | Stichprobe in Nordrhein-Westfalen [FN: Von den 93 |
| 149 | ausgewählten Schulen mit etwa 3500 Lehrkräften beteiligten |
| 150 | sich im Frühsommer 2009 1458 Personen an der Befragung.] |
| 151 | jeweils fast drei Viertel der Lehrkräfte tendenziell den |
| 152 | Aussagen zustimmen, dass (1) die unkontrollierte Nutzung des |
| 153 | Internets zu viele Risiken birgt, (2) das Kollegium für die |
| 154 | Risiken der Mediennutzung sensibilisiert ist und (3) die |
| 155 | Schule die Schülerinnen und Schüler vor negativen Einflüssen |
| 156 | der Medien schützen muss. Andererseits nutzt nicht einmal |
| 157 | ein Fünftel der Lehrkräfte den Unterricht, um zumindest |
| 158 | gelegentlich mit ihren Schülerinnen und Schülern deren |
| 159 | Medienhandeln und den bewussten und kontrollierten Umgang |
| 160 | mit Medien zu reflektieren (Breiter et al., 2010). |
| 161 | |
| 162 | Für die Jugendlichen stellt sich die Situation ähnlich dar. |
| 163 | Rund 90% ist täglich oder mehrmals die Woche online (mpfs, |
| 164 | 2010). Die Hälfte der in der JIM-Studie 2010 befragten |
| 165 | Jugendlichen gab an, den Computer und das Internet täglich |
| 166 | oder mehrmals pro Woche zu Hause zum Arbeiten bzw. Lernen |
| 167 | für die Schule zu nutzen, aber nur insgesamt 16% arbeiten |
| 168 | mit Computer und Internet auch in der Schule mehrmals die |
| 169 | Woche. Dabei zeigt sich, dass die genannten Defizite nicht |
| 170 | allein auf Kompetenzen oder Motivationen von Lehrkräften |
| 171 | zurückzuführen sind, sondern in erster Linie auf die |
| 172 | mangelnde strukturelle Verankerung in den Curricula. |
| 173 | |
| 174 | Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Eltern wünschen |
| 175 | sich, dass digitale Medien in der Schule eine größere Rolle |
| 176 | spielen. Die Schüler stehen einem Lernen mit Computer und |
| 177 | Internet sehr positiv gegenüber. Erfahrungen aus |
| 178 | Notebook-Projekten deuten darauf hin, dass diese Motivation |
| 179 | auch längerfristig anhält. [FN: vgl.: Behörde für Schule und |
| 180 | Berufsbildung (Hrsg.): Hamburger Netbook-Projekt. Hamburg: |
| 181 | 2010.] |
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