01.03.01 Aspekte der Entwicklungspsychologie und der Sozialisationsforschung

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    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Die Perspektive von einerseits Kindern und andererseits
    2 Kindergarten bzw. Schule auf neue Medien und Internet
    3 unterscheiden sich. "Während die Internetbesuche der Kinder
    4 in der Freizeit vorwiegend von Spielinteressen geleitet
    5 sind, sind sie im schulischen Kontext von Lehr- und
    6 Lernvorgaben bestimmt". [FN: vgl.: Feil/Gieger: Das
    7 Internet, ein Lernwerkzeug für Grundschulkinder?. In:
    8 Bachmair (Hg.): Medienbildung in neuen Kulturräumen.
    9 Wiesbaden: 2010, S. 243] Der erste nationale Bildungsbericht
    10 stellte 2006 fest, dass Deutschland bei allen regionalen und
    11 sozialen Unterschieden "einen im internationalen Vergleich
    12 überdurchschnittlichen Ausstattungsgrad privater Haushalte
    13 mit Computern und Internetanschlüssen aufweist" [FN: vgl.:
    14 Bildungsbericht 2006, S. 60] und die Schule insgesamt einen
    15 "vergleichsweise nachrangigen Lernort für Computernutzung
    16 und den Erwerb computerbezogener Kompetenzen" [FN: vgl.:
    17 Ebda., S. 63] darstellt. Dies betrifft in besonderem Maße
    18 den Primarbereich. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244]
    19
    20 Im Vergleich der OECD-Staaten hinkt Deutschland bei der
    21 Ausstattung seiner Schulen sowie hinsichtlich der zeitlichen
    22 oder räumlichen Nutzung von Computern im Unterricht [FN:
    23 vgl.: Bericht "Medienkompetenz", Abschnitt "4.2 Schülerinnen
    24 und Schüler"] trotz erheblicher Erfolge in den
    25 zurückliegenden Jahren noch immer deutlich hinterher und
    26 liegt auch in der Sonderauswertung "Students On Line" auf
    27 der Basis von PISA 2009 (Schüler im Alter von 15 Jahren)
    28 weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt. [FN: vgl.:
    29 http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/free/9811031e.pdf ,
    30 S. 151] Befragungen auf Länderebene belegen ebenfalls eine
    31 schwache Integration von (insbesondere digitalen) Medien als
    32 Mittel für den Unterricht. Noch seltener sind sie Inhalt von
    33 Unterricht. [FN: Anmerkung: Befragt wurden z.B. über 1000
    34 niedersächsische Lehrkräfte (Gysbers, 2008), ca. 5000
    35 bayerische Lehrkräfte (Bofinger, 2007) und über 1400
    36 Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen (Breiter, Welling &
    37 Stolpmann, 2010).]
    38
    39 Gleichzeitig besteht auch eine Diskrepanz zwischen der
    40 Möglichkeit zur sowie der tatsächlichen Nutzung von neuen
    41 Medien im Unterricht. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244]
    42 Der Anteil von Lehrpersonal mit tendenziell ablehnender
    43 Haltung gegenüber dem IT-Einsatz im Klassenzimmer ist in
    44 Deutschland dreimal so groß wie im europäischen
    45 Durchschnitt. [FN: vgl.: Revermann, Christoph/ Georgieff.
    46 Peter/ Kimpeler, Simone 2007: Mediennutzung und eLearning in
    47 Schulen, TAB-Arbeitsbericht Nr. 122. Berlin 2007, online
    48 abrufbar:
    49 http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/a
    50 b122.html] Während britische Pädagogen der IT-Nutzung
    51 positiv gegenüber stehen, über gute Kenntnisse und
    52 Fertigkeiten im Umgang mit Computern verfügen, schätzen
    53 deutsche Pädagogen ihre IT-Kenntnisse "insgesamt eher
    54 kritisch ein". [FN: vgl.: ebd., S. 8]
    55 Im Vergleich der Studierenden zeigt sich, dass
    56 Lehramtsstudierende in Bezug auf Medienkompetenzen und im
    57 Hinblick auf Einstellungen zu digitalen Medien gegenüber
    58 Studierenden anderer Studiengänge schlechter abschneiden.
    59 [FN: vgl.: Herzig & Grafe, 2007, S. 110; Kammerl &
    60 Pannarale, 2007a ] Befunde legen nahe, dass insbesondere
    61 Studierende im Lehramt Grundschule ihre Kompetenzen deutlich
    62 unterdurchschnittlich einschätzen und neuen Medien insgesamt
    63 negativer gegenüberstehen als Studierende anderer
    64 Studiengänge. [FN: vgl.: Kammerl & Pannarale, 2007b, S.
    65 6838f.] Doch es gibt auch eine insgesamt "breite Akzeptanz
    66 für digitale Medien", wie beispielsweise eine Umfrage unter
    67 Lehrerinnen und Lehrern im Auftrag des BITKOM herausgefunden
    68 hat. [FN: vgl.:
    69 http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Praesentation_L
    70 ehrerumfrage_IT_in_Schulen_09_05_2011_final.pdf, Folie 4]
    71 Demnach besitzen 75 Prozent der Lehrkräfte ein positives
    72 Verhältnis zu elektronischen Medien. Die Vermutung, dass die
    73 Nutzung elektronischer Medien mit dem Lebensalter der
    74 Lehrkräfte verbunden sei und damit auf einem Kohorteneffekt
    75 beruhe, die Jüngeren gegenüber den Älteren also
    76 grundsätzlich verstärkt mit und über neue Medien
    77 unterrichten, mag naheliegend erscheinen und wird in Studien
    78 durchaus bestätigt. [FN: vgl.: ebd., Folien 5 und 7.
    79 Anmerkung: Von den Lehrerinnen und Lehrern bis 40 Jahre
    80 nutzen 53 Prozent den Computer täglich oder mehrmals
    81 wöchentlich für die Vorbereitung ihres Unterrichts, nur 18
    82 Prozent nutzen ihn selten und damit weniger als einmal pro
    83 Woche. Von den über 51-Jährigen dagegen nutzen ihn zwar 47
    84 Prozent häufig, 31 Prozent jedoch selten. Vor allem zählen
    85 nur 17 Prozent der bis 40-Jährigen zu den Skeptikern des
    86 Einsatzes elektronischer Medien im Unterricht, während es
    87 bei den über 51-Jährigen 38 Prozent sind.] Elektronische
    88 Medien werden von einem Großteil der Lehrkräfte aber auch
    89 als Störfaktor für die kindliche Entwicklung angesehen. [FN:
    90 vgl.: Breiter et al. (2010)]
    91
    92 Da die Schule einen nachrangigen Lernort für den Erwerb
    93 computerbezogener Kompetenzen darstellt, ist davon
    94 auszugehen, dass Kinder und Jugendliche beim Kompetenzerwerb
    95 insbesondere auf das Elternhaus, auf Familie, Freunde und
    96 den sozialen Nahbereich angewiesen sind. Fast alle Kinder
    97 und Jugendliche haben zuhause Internetzugang [FN: Vgl.:
    98 http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf, S.5.].
    99 Die Bedeutung, die in den Familien der Internetnutzung
    100 zugewiesen wird, unterscheidet sich dabei aber deutlich nach
    101 dem Bildungshintergrund der Eltern. Im Vergleich zu Eltern
    102 mit Hauptschulabschluss halten mehr als doppelt so viele
    103 Eltern mit Abitur oder Studium das Internet für das
    104 unverzichtbarste Medium für den Lern- und Schulerfolg ihrer
    105 Kinder. [FN: Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund
    106 Südwest: KIM-Studie 2010. Online abrufbar unter:
    107 http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf, S. 59f.
    108 (ebenso den Bericht der Enquetekommission zur
    109 Medienkompetenz, S. 24.)]
    110 Befragt nach dem Einsatz digitaler Medien in der Schule
    111 geben zwischen 50 Prozent (PIRLS/IGLU 2006) und 66 Prozent
    112 (mpfs 2011, 28) der Schüler an, dass sie nie mit digitalen
    113 Medien in der Schule lernen. Nur etwa jeder dritte Schüler
    114 im Alter von sechs bis 13 Jahren hat den Einsatz eines
    115 Computers im Unterricht erlebt, obwohl nach den letzten
    116 Zahlen rechnerisch mindestens ein Gerät pro neun Schülern in
    117 dieser Schulart zur Verfügung stehen müsste (Schuljahr
    118 2007/2008 nach KMK 2008).
    119
    120 Dabei ist die Situation in den verschiedenen Altersgruppen
    121 unterschiedlich. Betrachtet man die Gruppe der Grundschüler,
    122 so zeigt sich, dass bei den sechs- bis sieben-Jährigen die
    123 Hälfte Computernutzer ist (mpfs, 2011). Anteile und
    124 Nutzungsfrequenz steigen dann schnell an. Mit Ende der
    125 vierten Klasse sind bereits über 80 Prozent regelmäßige
    126 Computer- und Internetnutzer. Bereits im Alter ab acht
    127 Jahren sind sie dabei in der Regel alleine. Dies ist mit
    128 Hinblick auf mögliche Problemfelder betreffend
    129 jugendgefährdender Inhalte, kommerzieller Interessen von
    130 Internetanbietern und möglichen Kontakten zu Fremden aus der
    131 entwicklungspsychologischen Perspektive nicht ohne Risiko.
    132
    133 Längst haben die digitalen Medien auch in dieser
    134 Altersgruppe die Praxis klassischer Kulturtechniken
    135 verändert. So ergab eine Umfrage unter Hamburger
    136 Schülerinnen und Schülern der 3. Klasse, dass zwei Drittel
    137 der Schülerinnen und Schüler mehrfach in der Woche zum
    138 Vergnügen ein Buch lesen. Rund die Hälfte liest mehrfach in
    139 der Woche im Internet. Ähnlich wie im Kindergarten fand in
    140 den Primarschulen bis Anfang der 1990er kaum Medienerziehung
    141 statt. Die Förderung von Lesekompetenz im Primarbereich ist
    142 auch heute noch vor allem auf das Buch ausgerichtet.
    143 Elektronische Medien werden von einem Großteil der
    144 Lehrkräfte als Störfaktor für die kindliche Entwicklung
    145 angesehen, es wird aber pädagogisch wenig unternommen, um
    146 den Einfluss auf die eigenen Schülerinnen und Schüler zu
    147 schmälern. So berichten Breiter et al. (2010), dass in ihrer
    148 Stichprobe in Nordrhein-Westfalen [FN: Von den 93
    149 ausgewählten Schulen mit etwa 3500 Lehrkräften beteiligten
    150 sich im Frühsommer 2009 1458 Personen an der Befragung.]
    151 jeweils fast drei Viertel der Lehrkräfte tendenziell den
    152 Aussagen zustimmen, dass (1) die unkontrollierte Nutzung des
    153 Internets zu viele Risiken birgt, (2) das Kollegium für die
    154 Risiken der Mediennutzung sensibilisiert ist und (3) die
    155 Schule die Schülerinnen und Schüler vor negativen Einflüssen
    156 der Medien schützen muss. Andererseits nutzt nicht einmal
    157 ein Fünftel der Lehrkräfte den Unterricht, um zumindest
    158 gelegentlich mit ihren Schülerinnen und Schülern deren
    159 Medienhandeln und den bewussten und kontrollierten Umgang
    160 mit Medien zu reflektieren (Breiter et al., 2010).
    161
    162 Für die Jugendlichen stellt sich die Situation ähnlich dar.
    163 Rund 90% ist täglich oder mehrmals die Woche online (mpfs,
    164 2010). Die Hälfte der in der JIM-Studie 2010 befragten
    165 Jugendlichen gab an, den Computer und das Internet täglich
    166 oder mehrmals pro Woche zu Hause zum Arbeiten bzw. Lernen
    167 für die Schule zu nutzen, aber nur insgesamt 16% arbeiten
    168 mit Computer und Internet auch in der Schule mehrmals die
    169 Woche. Dabei zeigt sich, dass die genannten Defizite nicht
    170 allein auf Kompetenzen oder Motivationen von Lehrkräften
    171 zurückzuführen sind, sondern in erster Linie auf die
    172 mangelnde strukturelle Verankerung in den Curricula.
    173
    174 Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Eltern wünschen
    175 sich, dass digitale Medien in der Schule eine größere Rolle
    176 spielen. Die Schüler stehen einem Lernen mit Computer und
    177 Internet sehr positiv gegenüber. Erfahrungen aus
    178 Notebook-Projekten deuten darauf hin, dass diese Motivation
    179 auch längerfristig anhält. [FN: vgl.: Behörde für Schule und
    180 Berufsbildung (Hrsg.): Hamburger Netbook-Projekt. Hamburg:
    181 2010.]