Originalversion
1 | Die Perspektive von einerseits Kindern und andererseits |
2 | Kindergarten bzw. Schule auf neue Medien und Internet |
3 | unterscheiden sich. "Während die Internetbesuche der Kinder |
4 | in der Freizeit vorwiegend von Spielinteressen geleitet |
5 | sind, sind sie im schulischen Kontext von Lehr- und |
6 | Lernvorgaben bestimmt". [FN: vgl.: Feil/Gieger: Das |
7 | Internet, ein Lernwerkzeug für Grundschulkinder?. In: |
8 | Bachmair (Hg.): Medienbildung in neuen Kulturräumen. |
9 | Wiesbaden: 2010, S. 243] Der erste nationale Bildungsbericht |
10 | stellte 2006 fest, dass Deutschland bei allen regionalen und |
11 | sozialen Unterschieden "einen im internationalen Vergleich |
12 | überdurchschnittlichen Ausstattungsgrad privater Haushalte |
13 | mit Computern und Internetanschlüssen aufweist" [FN: vgl.: |
14 | Bildungsbericht 2006, S. 60] und die Schule insgesamt einen |
15 | "vergleichsweise nachrangigen Lernort für Computernutzung |
16 | und den Erwerb computerbezogener Kompetenzen" [FN: vgl.: |
17 | Ebda., S. 63] darstellt. Dies betrifft in besonderem Maße |
18 | den Primarbereich. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
19 | |
20 | Im Vergleich der OECD-Staaten hinkt Deutschland bei der |
21 | Ausstattung seiner Schulen sowie hinsichtlich der zeitlichen |
22 | oder räumlichen Nutzung von Computern im Unterricht [FN: |
23 | vgl.: Bericht "Medienkompetenz", Abschnitt "4.2 Schülerinnen |
24 | und Schüler"] trotz erheblicher Erfolge in den |
25 | zurückliegenden Jahren noch immer deutlich hinterher und |
26 | liegt auch in der Sonderauswertung "Students On Line" auf |
27 | der Basis von PISA 2009 (Schüler im Alter von 15 Jahren) |
28 | weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt. [FN: vgl.: |
29 | http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/free/9811031e.pdf , |
30 | S. 151] Befragungen auf Länderebene belegen ebenfalls eine |
31 | schwache Integration von (insbesondere digitalen) Medien als |
32 | Mittel für den Unterricht. Noch seltener sind sie Inhalt von |
33 | Unterricht. [FN: Anmerkung: Befragt wurden z.B. über 1000 |
34 | niedersächsische Lehrkräfte (Gysbers, 2008), ca. 5000 |
35 | bayerische Lehrkräfte (Bofinger, 2007) und über 1400 |
36 | Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen (Breiter, Welling & |
37 | Stolpmann, 2010).] |
38 | |
39 | Gleichzeitig besteht auch eine Diskrepanz zwischen der |
40 | Möglichkeit zur sowie der tatsächlichen Nutzung von neuen |
41 | Medien im Unterricht. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
42 | Der Anteil von Lehrpersonal mit tendenziell ablehnender |
43 | Haltung gegenüber dem IT-Einsatz im Klassenzimmer ist in |
44 | Deutschland dreimal so groß wie im europäischen |
45 | Durchschnitt. [FN: vgl.: Revermann, Christoph/ Georgieff. |
46 | Peter/ Kimpeler, Simone 2007: Mediennutzung und eLearning in |
47 | Schulen, TAB-Arbeitsbericht Nr. 122. Berlin 2007, online |
48 | abrufbar: |
49 | http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/a |
50 | b122.html] Während britische Pädagogen der IT-Nutzung |
51 | positiv gegenüber stehen, über gute Kenntnisse und |
52 | Fertigkeiten im Umgang mit Computern verfügen, schätzen |
53 | deutsche Pädagogen ihre IT-Kenntnisse "insgesamt eher |
54 | kritisch ein". [FN: vgl.: ebd., S. 8] |
55 | Im Vergleich der Studierenden zeigt sich, dass |
56 | Lehramtsstudierende in Bezug auf Medienkompetenzen und im |
57 | Hinblick auf Einstellungen zu digitalen Medien gegenüber |
58 | Studierenden anderer Studiengänge schlechter abschneiden. |
59 | [FN: vgl.: Herzig & Grafe, 2007, S. 110; Kammerl & |
60 | Pannarale, 2007a ] Befunde legen nahe, dass insbesondere |
61 | Studierende im Lehramt Grundschule ihre Kompetenzen deutlich |
62 | unterdurchschnittlich einschätzen und neuen Medien insgesamt |
63 | negativer gegenüberstehen als Studierende anderer |
64 | Studiengänge. [FN: vgl.: Kammerl & Pannarale, 2007b, S. |
65 | 6838f.] Doch es gibt auch eine insgesamt "breite Akzeptanz |
66 | für digitale Medien", wie beispielsweise eine Umfrage unter |
67 | Lehrerinnen und Lehrern im Auftrag des BITKOM herausgefunden |
68 | hat. [FN: vgl.: |
69 | http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Praesentation_L |
70 | ehrerumfrage_IT_in_Schulen_09_05_2011_final.pdf, Folie 4] |
71 | Demnach besitzen 75 Prozent der Lehrkräfte ein positives |
72 | Verhältnis zu elektronischen Medien. Die Vermutung, dass die |
73 | Nutzung elektronischer Medien mit dem Lebensalter der |
74 | Lehrkräfte verbunden sei und damit auf einem Kohorteneffekt |
75 | beruhe, die Jüngeren gegenüber den Älteren also |
76 | grundsätzlich verstärkt mit und über neue Medien |
77 | unterrichten, mag naheliegend erscheinen und wird in Studien |
78 | durchaus bestätigt. [FN: vgl.: ebd., Folien 5 und 7. |
79 | Anmerkung: Von den Lehrerinnen und Lehrern bis 40 Jahre |
80 | nutzen 53 Prozent den Computer täglich oder mehrmals |
81 | wöchentlich für die Vorbereitung ihres Unterrichts, nur 18 |
82 | Prozent nutzen ihn selten und damit weniger als einmal pro |
83 | Woche. Von den über 51-Jährigen dagegen nutzen ihn zwar 47 |
84 | Prozent häufig, 31 Prozent jedoch selten. Vor allem zählen |
85 | nur 17 Prozent der bis 40-Jährigen zu den Skeptikern des |
86 | Einsatzes elektronischer Medien im Unterricht, während es |
87 | bei den über 51-Jährigen 38 Prozent sind.] Elektronische |
88 | Medien werden von einem Großteil der Lehrkräfte aber auch |
89 | als Störfaktor für die kindliche Entwicklung angesehen. [FN: |
90 | vgl.: Breiter et al. (2010)] |
91 | |
92 | Da die Schule einen nachrangigen Lernort für den Erwerb |
93 | computerbezogener Kompetenzen darstellt, ist davon |
94 | auszugehen, dass Kinder und Jugendliche beim Kompetenzerwerb |
95 | insbesondere auf das Elternhaus, auf Familie, Freunde und |
96 | den sozialen Nahbereich angewiesen sind. Fast alle Kinder |
97 | und Jugendliche haben zuhause Internetzugang [FN: Vgl.: |
98 | http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf, S.5.]. |
99 | Die Bedeutung, die in den Familien der Internetnutzung |
100 | zugewiesen wird, unterscheidet sich dabei aber deutlich nach |
101 | dem Bildungshintergrund der Eltern. Im Vergleich zu Eltern |
102 | mit Hauptschulabschluss halten mehr als doppelt so viele |
103 | Eltern mit Abitur oder Studium das Internet für das |
104 | unverzichtbarste Medium für den Lern- und Schulerfolg ihrer |
105 | Kinder. [FN: Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund |
106 | Südwest: KIM-Studie 2010. Online abrufbar unter: |
107 | http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf, S. 59f. |
108 | (ebenso den Bericht der Enquetekommission zur |
109 | Medienkompetenz, S. 24.)] |
110 | Befragt nach dem Einsatz digitaler Medien in der Schule |
111 | geben zwischen 50 Prozent (PIRLS/IGLU 2006) und 66 Prozent |
112 | (mpfs 2011, 28) der Schüler an, dass sie nie mit digitalen |
113 | Medien in der Schule lernen. Nur etwa jeder dritte Schüler |
114 | im Alter von sechs bis 13 Jahren hat den Einsatz eines |
115 | Computers im Unterricht erlebt, obwohl nach den letzten |
116 | Zahlen rechnerisch mindestens ein Gerät pro neun Schülern in |
117 | dieser Schulart zur Verfügung stehen müsste (Schuljahr |
118 | 2007/2008 nach KMK 2008). |
119 | |
120 | Dabei ist die Situation in den verschiedenen Altersgruppen |
121 | unterschiedlich. Betrachtet man die Gruppe der Grundschüler, |
122 | so zeigt sich, dass bei den sechs- bis sieben-Jährigen die |
123 | Hälfte Computernutzer ist (mpfs, 2011). Anteile und |
124 | Nutzungsfrequenz steigen dann schnell an. Mit Ende der |
125 | vierten Klasse sind bereits über 80 Prozent regelmäßige |
126 | Computer- und Internetnutzer. Bereits im Alter ab acht |
127 | Jahren sind sie dabei in der Regel alleine. Dies ist mit |
128 | Hinblick auf mögliche Problemfelder betreffend |
129 | jugendgefährdender Inhalte, kommerzieller Interessen von |
130 | Internetanbietern und möglichen Kontakten zu Fremden aus der |
131 | entwicklungspsychologischen Perspektive nicht ohne Risiko. |
132 | |
133 | Längst haben die digitalen Medien auch in dieser |
134 | Altersgruppe die Praxis klassischer Kulturtechniken |
135 | verändert. So ergab eine Umfrage unter Hamburger |
136 | Schülerinnen und Schülern der 3. Klasse, dass zwei Drittel |
137 | der Schülerinnen und Schüler mehrfach in der Woche zum |
138 | Vergnügen ein Buch lesen. Rund die Hälfte liest mehrfach in |
139 | der Woche im Internet. Ähnlich wie im Kindergarten fand in |
140 | den Primarschulen bis Anfang der 1990er kaum Medienerziehung |
141 | statt. Die Förderung von Lesekompetenz im Primarbereich ist |
142 | auch heute noch vor allem auf das Buch ausgerichtet. |
143 | Elektronische Medien werden von einem Großteil der |
144 | Lehrkräfte als Störfaktor für die kindliche Entwicklung |
145 | angesehen, es wird aber pädagogisch wenig unternommen, um |
146 | den Einfluss auf die eigenen Schülerinnen und Schüler zu |
147 | schmälern. So berichten Breiter et al. (2010), dass in ihrer |
148 | Stichprobe in Nordrhein-Westfalen [FN: Von den 93 |
149 | ausgewählten Schulen mit etwa 3500 Lehrkräften beteiligten |
150 | sich im Frühsommer 2009 1458 Personen an der Befragung.] |
151 | jeweils fast drei Viertel der Lehrkräfte tendenziell den |
152 | Aussagen zustimmen, dass (1) die unkontrollierte Nutzung des |
153 | Internets zu viele Risiken birgt, (2) das Kollegium für die |
154 | Risiken der Mediennutzung sensibilisiert ist und (3) die |
155 | Schule die Schülerinnen und Schüler vor negativen Einflüssen |
156 | der Medien schützen muss. Andererseits nutzt nicht einmal |
157 | ein Fünftel der Lehrkräfte den Unterricht, um zumindest |
158 | gelegentlich mit ihren Schülerinnen und Schülern deren |
159 | Medienhandeln und den bewussten und kontrollierten Umgang |
160 | mit Medien zu reflektieren (Breiter et al., 2010). |
161 | |
162 | Für die Jugendlichen stellt sich die Situation ähnlich dar. |
163 | Rund 90% ist täglich oder mehrmals die Woche online (mpfs, |
164 | 2010). Die Hälfte der in der JIM-Studie 2010 befragten |
165 | Jugendlichen gab an, den Computer und das Internet täglich |
166 | oder mehrmals pro Woche zu Hause zum Arbeiten bzw. Lernen |
167 | für die Schule zu nutzen, aber nur insgesamt 16% arbeiten |
168 | mit Computer und Internet auch in der Schule mehrmals die |
169 | Woche. Dabei zeigt sich, dass die genannten Defizite nicht |
170 | allein auf Kompetenzen oder Motivationen von Lehrkräften |
171 | zurückzuführen sind, sondern in erster Linie auf die |
172 | mangelnde strukturelle Verankerung in den Curricula. |
173 | |
174 | Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Eltern wünschen |
175 | sich, dass digitale Medien in der Schule eine größere Rolle |
176 | spielen. Die Schüler stehen einem Lernen mit Computer und |
177 | Internet sehr positiv gegenüber. Erfahrungen aus |
178 | Notebook-Projekten deuten darauf hin, dass diese Motivation |
179 | auch längerfristig anhält. [FN: vgl.: Behörde für Schule und |
180 | Berufsbildung (Hrsg.): Hamburger Netbook-Projekt. Hamburg: |
181 | 2010.] |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Die Perspektive von einerseits Kindern und andererseits |
2 | Kindergarten bzw. Schule auf neue Medien und Internet |
3 | unterscheiden sich. "Während die Internetbesuche der Kinder |
4 | in der Freizeit vorwiegend von Spielinteressen geleitet |
5 | sind, sind sie im schulischen Kontext von Lehr- und |
6 | Lernvorgaben bestimmt". [FN: vgl.: Feil/Gieger: Das |
7 | Internet, ein Lernwerkzeug für Grundschulkinder?. In: |
8 | Bachmair (Hg.): Medienbildung in neuen Kulturräumen. |
9 | Wiesbaden: 2010, S. 243] Der erste nationale Bildungsbericht |
10 | stellte 2006 fest, dass Deutschland bei allen regionalen und |
11 | sozialen Unterschieden "einen im internationalen Vergleich |
12 | überdurchschnittlichen Ausstattungsgrad privater Haushalte |
13 | mit Computern und Internetanschlüssen aufweist" [FN: vgl.: |
14 | Bildungsbericht 2006, S. 60] und die Schule insgesamt einen |
15 | "vergleichsweise nachrangigen Lernort für Computernutzung |
16 | und den Erwerb computerbezogener Kompetenzen" [FN: vgl.: |
17 | Ebda., S. 63] darstellt. Dies betrifft in besonderem Maße |
18 | den Primarbereich. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
19 | |
20 | Im Vergleich der OECD-Staaten hinkt Deutschland bei der |
21 | Ausstattung seiner Schulen sowie hinsichtlich der zeitlichen |
22 | oder räumlichen Nutzung von Computern im Unterricht [FN: |
23 | vgl.: Bericht "Medienkompetenz", Abschnitt "4.2 Schülerinnen |
24 | und Schüler"] trotz erheblicher Erfolge in den |
25 | zurückliegenden Jahren noch immer deutlich hinterher und |
26 | liegt auch in der Sonderauswertung "Students On Line" auf |
27 | der Basis von PISA 2009 (Schüler im Alter von 15 Jahren) |
28 | weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt. [FN: vgl.: |
29 | http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/free/9811031e.pdf , |
30 | S. 151] Befragungen auf Länderebene belegen ebenfalls eine |
31 | schwache Integration von (insbesondere digitalen) Medien als |
32 | Mittel für den Unterricht. Noch seltener sind sie Inhalt von |
33 | Unterricht. [FN: Anmerkung: Befragt wurden z.B. über 1000 |
34 | niedersächsische Lehrkräfte (Gysbers, 2008), ca. 5000 |
35 | bayerische Lehrkräfte (Bofinger, 2007) und über 1400 |
36 | Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen (Breiter, Welling & |
37 | Stolpmann, 2010).] |
38 | |
39 | Gleichzeitig besteht auch eine Diskrepanz zwischen der |
40 | Möglichkeit zur sowie der tatsächlichen Nutzung von neuen |
41 | Medien im Unterricht. [FN: vgl.: Feil/Gieger: a.a.O, S. 244] |
42 | Der Anteil von Lehrpersonal mit tendenziell ablehnender |
43 | Haltung gegenüber dem IT-Einsatz im Klassenzimmer ist in |
44 | Deutschland dreimal so groß wie im europäischen |
45 | Durchschnitt. [FN: vgl.: Revermann, Christoph/ Georgieff. |
46 | Peter/ Kimpeler, Simone 2007: Mediennutzung und eLearning in |
47 | Schulen, TAB-Arbeitsbericht Nr. 122. Berlin 2007, online |
48 | abrufbar: |
49 | http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/a |
50 | b122.html] Während britische Pädagogen der IT-Nutzung |
51 | positiv gegenüber stehen, über gute Kenntnisse und |
52 | Fertigkeiten im Umgang mit Computern verfügen, schätzen |
53 | deutsche Pädagogen ihre IT-Kenntnisse "insgesamt eher |
54 | kritisch ein". [FN: vgl.: ebd., S. 8] |
55 | Im Vergleich der Studierenden zeigt sich, dass |
56 | Lehramtsstudierende in Bezug auf Medienkompetenzen und im |
57 | Hinblick auf Einstellungen zu digitalen Medien gegenüber |
58 | Studierenden anderer Studiengänge schlechter abschneiden. |
59 | [FN: vgl.: Herzig & Grafe, 2007, S. 110; Kammerl & |
60 | Pannarale, 2007a ] Befunde legen nahe, dass insbesondere |
61 | Studierende im Lehramt Grundschule ihre Kompetenzen deutlich |
62 | unterdurchschnittlich einschätzen und neuen Medien insgesamt |
63 | negativer gegenüberstehen als Studierende anderer |
64 | Studiengänge. [FN: vgl.: Kammerl & Pannarale, 2007b, S. |
65 | 6838f.] Doch es gibt auch eine insgesamt "breite Akzeptanz |
66 | für digitale Medien", wie beispielsweise eine Umfrage unter |
67 | Lehrerinnen und Lehrern im Auftrag des BITKOM herausgefunden |
68 | hat. [FN: vgl.: |
69 | http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Praesentation_L |
70 | ehrerumfrage_IT_in_Schulen_09_05_2011_final.pdf, Folie 4] |
71 | Demnach besitzen 75 Prozent der Lehrkräfte ein positives |
72 | Verhältnis zu elektronischen Medien. Die Vermutung, dass die |
73 | Nutzung elektronischer Medien mit dem Lebensalter der |
74 | Lehrkräfte verbunden sei und damit auf einem Kohorteneffekt |
75 | beruhe, die Jüngeren gegenüber den Älteren also |
76 | grundsätzlich verstärkt mit und über neue Medien |
77 | unterrichten, mag naheliegend erscheinen und wird in Studien |
78 | durchaus bestätigt. [FN: vgl.: ebd., Folien 5 und 7. |
79 | Anmerkung: Von den Lehrerinnen und Lehrern bis 40 Jahre |
80 | nutzen 53 Prozent den Computer täglich oder mehrmals |
81 | wöchentlich für die Vorbereitung ihres Unterrichts, nur 18 |
82 | Prozent nutzen ihn selten und damit weniger als einmal pro |
83 | Woche. Von den über 51-Jährigen dagegen nutzen ihn zwar 47 |
84 | Prozent häufig, 31 Prozent jedoch selten. Vor allem zählen |
85 | nur 17 Prozent der bis 40-Jährigen zu den Skeptikern des |
86 | Einsatzes elektronischer Medien im Unterricht, während es |
87 | bei den über 51-Jährigen 38 Prozent sind.] Elektronische |
88 | Medien werden von einem Großteil der Lehrkräfte aber auch |
89 | als Störfaktor für die kindliche Entwicklung angesehen. [FN: |
90 | vgl.: Breiter et al. (2010)] |
91 | |
92 | Da die Schule einen nachrangigen Lernort für den Erwerb |
93 | computerbezogener Kompetenzen darstellt, ist davon |
94 | auszugehen, dass Kinder und Jugendliche beim Kompetenzerwerb |
95 | insbesondere auf das Elternhaus, auf Familie, Freunde und |
96 | den sozialen Nahbereich angewiesen sind. Fast alle Kinder |
97 | und Jugendliche haben zuhause Internetzugang [FN: Vgl.: |
98 | http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf, S.5.]. |
99 | Die Bedeutung, die in den Familien der Internetnutzung |
100 | zugewiesen wird, unterscheidet sich dabei aber deutlich nach |
101 | dem Bildungshintergrund der Eltern. Im Vergleich zu Eltern |
102 | mit Hauptschulabschluss halten mehr als doppelt so viele |
103 | Eltern mit Abitur oder Studium das Internet für das |
104 | unverzichtbarste Medium für den Lern- und Schulerfolg ihrer |
105 | Kinder. [FN: Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund |
106 | Südwest: KIM-Studie 2010. Online abrufbar unter: |
107 | http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf, S. 59f. |
108 | (ebenso den Bericht der Enquetekommission zur |
109 | Medienkompetenz, S. 24.)] |
110 | Befragt nach dem Einsatz digitaler Medien in der Schule |
111 | geben zwischen 50 Prozent (PIRLS/IGLU 2006) und 66 Prozent |
112 | (mpfs 2011, 28) der Schüler an, dass sie nie mit digitalen |
113 | Medien in der Schule lernen. Nur etwa jeder dritte Schüler |
114 | im Alter von sechs bis 13 Jahren hat den Einsatz eines |
115 | Computers im Unterricht erlebt, obwohl nach den letzten |
116 | Zahlen rechnerisch mindestens ein Gerät pro neun Schülern in |
117 | dieser Schulart zur Verfügung stehen müsste (Schuljahr |
118 | 2007/2008 nach KMK 2008). |
119 | |
120 | Dabei ist die Situation in den verschiedenen Altersgruppen |
121 | unterschiedlich. Betrachtet man die Gruppe der Grundschüler, |
122 | so zeigt sich, dass bei den sechs- bis sieben-Jährigen die |
123 | Hälfte Computernutzer ist (mpfs, 2011). Anteile und |
124 | Nutzungsfrequenz steigen dann schnell an. Mit Ende der |
125 | vierten Klasse sind bereits über 80 Prozent regelmäßige |
126 | Computer- und Internetnutzer. Bereits im Alter ab acht |
127 | Jahren sind sie dabei in der Regel alleine. Dies ist mit |
128 | Hinblick auf mögliche Problemfelder betreffend |
129 | jugendgefährdender Inhalte, kommerzieller Interessen von |
130 | Internetanbietern und möglichen Kontakten zu Fremden aus der |
131 | entwicklungspsychologischen Perspektive nicht ohne Risiko. |
132 | |
133 | Längst haben die digitalen Medien auch in dieser |
134 | Altersgruppe die Praxis klassischer Kulturtechniken |
135 | verändert. So ergab eine Umfrage unter Hamburger |
136 | Schülerinnen und Schülern der 3. Klasse, dass zwei Drittel |
137 | der Schülerinnen und Schüler mehrfach in der Woche zum |
138 | Vergnügen ein Buch lesen. Rund die Hälfte liest mehrfach in |
139 | der Woche im Internet. Ähnlich wie im Kindergarten fand in |
140 | den Primarschulen bis Anfang der 1990er kaum Medienerziehung |
141 | statt. Die Förderung von Lesekompetenz im Primarbereich ist |
142 | auch heute noch vor allem auf das Buch ausgerichtet. |
143 | Elektronische Medien werden von einem Großteil der |
144 | Lehrkräfte als Störfaktor für die kindliche Entwicklung |
145 | angesehen, es wird aber pädagogisch wenig unternommen, um |
146 | den Einfluss auf die eigenen Schülerinnen und Schüler zu |
147 | schmälern. So berichten Breiter et al. (2010), dass in ihrer |
148 | Stichprobe in Nordrhein-Westfalen [FN: Von den 93 |
149 | ausgewählten Schulen mit etwa 3500 Lehrkräften beteiligten |
150 | sich im Frühsommer 2009 1458 Personen an der Befragung.] |
151 | jeweils fast drei Viertel der Lehrkräfte tendenziell den |
152 | Aussagen zustimmen, dass (1) die unkontrollierte Nutzung des |
153 | Internets zu viele Risiken birgt, (2) das Kollegium für die |
154 | Risiken der Mediennutzung sensibilisiert ist und (3) die |
155 | Schule die Schülerinnen und Schüler vor negativen Einflüssen |
156 | der Medien schützen muss. Andererseits nutzt nicht einmal |
157 | ein Fünftel der Lehrkräfte den Unterricht, um zumindest |
158 | gelegentlich mit ihren Schülerinnen und Schülern deren |
159 | Medienhandeln und den bewussten und kontrollierten Umgang |
160 | mit Medien zu reflektieren (Breiter et al., 2010). |
161 | |
162 | Für die Jugendlichen stellt sich die Situation ähnlich dar. |
163 | Rund 90% ist täglich oder mehrmals die Woche online (mpfs, |
164 | 2010). Die Hälfte der in der JIM-Studie 2010 befragten |
165 | Jugendlichen gab an, den Computer und das Internet täglich |
166 | oder mehrmals pro Woche zu Hause zum Arbeiten bzw. Lernen |
167 | für die Schule zu nutzen, aber nur insgesamt 16% arbeiten |
168 | mit Computer und Internet auch in der Schule mehrmals die |
169 | Woche. Dabei zeigt sich, dass die genannten Defizite nicht |
170 | allein auf Kompetenzen oder Motivationen von Lehrkräften |
171 | zurückzuführen sind, sondern in erster Linie auf die |
172 | mangelnde strukturelle Verankerung in den Curricula. |
173 | |
174 | Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Eltern wünschen |
175 | sich, dass digitale Medien in der Schule eine größere Rolle |
176 | spielen. Die Schüler stehen einem Lernen mit Computer und |
177 | Internet sehr positiv gegenüber. Erfahrungen aus |
178 | Notebook-Projekten deuten darauf hin, dass diese Motivation |
179 | auch längerfristig anhält. [FN: vgl.: Behörde für Schule und |
180 | Berufsbildung (Hrsg.): Hamburger Netbook-Projekt. Hamburg: |
181 | 2010.] |