Originalversion
1 | Kapitel II/2. „Hochschulbildung“ – TEIL 1 |
2 | |
3 | (Stand: 6. Februar 2012) |
4 | |
5 | |
6 | Inhaltsverzeichnis |
7 | |
8 | Einleitung |
9 | I. Zum Einsatz digitaler Bildungsinfrastrukturen und |
10 | digitaler Medien in |
11 | der Hochschullehre |
12 | 1. Entwicklung digitaler Bildungsinfrastrukturen |
13 | 1.1 E-Learning: didaktische Ansätze |
14 | 1.2 Nutzung von E-Learning-Angeboten |
15 | 1.3 Medienkompetenz bei Lehrenden und Studierenden |
16 | 1.4 Landesinitiativen für E-Learning an deutschen |
17 | Hochschulen |
18 | 1.5 Kooperation von Hochschulen |
19 | 1.6 Nachhaltigkeit von E-Learning-Angeboten |
20 | 1.7 Web 2.0 in der Hochschullehre |
21 | 1.8 Förderprogramme |
22 | 1.9 Digitale Medien im Erwerbungsetat der |
23 | Wissenschaftlichen |
24 | Bibliotheken |
25 | 2. Nutzung digitaler Medien in Kooperationen mit der |
26 | Wirtschaft |
27 | 3.Technische Ausstattung der Hochschulen |
28 | 3.1 Technische Vernetzung von Hochschulen |
29 | 3.2 Software für Lern- und |
30 | Hochschulmanagementsysteme |
31 | 3.3 Integriertes Informationsmanagement |
32 | II. Perspektiven und zukünftige Entwicklungen |
33 | 1. Themenschwerpunkt: Bibliotheken und Urheberrecht |
34 | 2. Themenschwerpunkt: Offene Hochschule |
35 | 2.1. Open University-Modelle |
36 | 2.2. Träger der Einrichtung – Bund, Länder oder |
37 | unabhängige Stiftung |
38 | |
39 | |
40 | **Einleitung** |
41 | |
42 | Der wissenschaftliche Arbeits-, Lern- und Lehralltag ist |
43 | mittlerweile weitgehend von der Digitalisierung bestimmt. |
44 | Neue Formen der Kommunikation, Kooperation und Vernetzung |
45 | bieten enorme Potenziale, um Bildungs- und |
46 | Forschungsprozesse aktiv, flexibel und unabhängig von Ort |
47 | und Zeit zu gestalten. Dieses Kapitel betrachtet daher die |
48 | Ziele des Einsatzes digitaler Medien in Hochschulen und |
49 | erörtert zukünftige Entwicklungen für die Nutzung |
50 | wissenschaftlicher Informationen in Bibliotheken und neue |
51 | Perspektiven für Offene Hochschulen. |
52 | |
53 | |
54 | **I. Zum Einsatz digitaler Bildungsinfrastrukturen und |
55 | digitaler Medien in der Hochschullehre** |
56 | Seit gut zehn Jahren kommen digitale Medien und |
57 | Infrastrukturen in der Hochschullehre verstärkt zum Einsatz. |
58 | Diese Entwicklung stellt die Hochschulen vor große |
59 | Herausforderungen. Nachfolgend sollen sowohl der derzeitige |
60 | Entwicklungsstand als auch bestehende Defizite und Probleme |
61 | beschrieben werden. |
62 | |
63 | Die Informationsinfrastruktur in Deutschland ist von der |
64 | Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII) im |
65 | Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes |
66 | und der Länder in einem Gesamtkonzept ausführlich evaluiert |
67 | worden: |
68 | „Der epochale Wandel in der Informations- und |
69 | Kommunikationstechnologie (z. B. Digitalisierung, |
70 | Webtechnologie) führt zu grundlegenden Veränderungen |
71 | des wissenschaftlichen Arbeitens. Dementsprechend steigen |
72 | und verändern sich die Anforderungen der Nutzer an |
73 | die wissenschaftliche Informationsinfrastruktur. Ihr |
74 | Aufgabenspektrum geht erheblich über das der früher |
75 | so genannten „Fachinformation“ hinaus, und die ehemals |
76 | klar abgegrenzten und abgrenzbaren Fach- und |
77 | Aufgabengebiete haben ihre Trennschärfe verloren. Heute |
78 | und in Zukunft geht es um komplexe, integrierte |
79 | Dienstleitungen zur Unterstützung des Wissenschaftlers |
80 | auf allen Stufen des Forschungsprozesses bis hin zur |
81 | Integration der Forschungsergebnisse in die Lehre.“ [FN: |
82 | zit. nach.: Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur |
83 | (Hrsg.): Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in |
84 | Deutschland. Empfehlungen der Kommission Zukunft der |
85 | Informationsinfrastruktur im Auftrag der Gemeinsamen |
86 | Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. April |
87 | 2011, S. 6. Online abrufbar unter: |
88 | http://www.leibniz-gemeinschaft.de/?nid=infrastr& |
89 | nidap=&print=0] Handlungsfelder wie Lizenzierung, |
90 | Hosting/Langzeitarchivierung, nichttextuelle Materialien, |
91 | Retrodigitalisierung/ kulturelles Erbe, virtuelle |
92 | Forschungsumgebungen, Open Access und Forschungsdaten stehen |
93 | dabei im Mittelpunkt. Zwar sind dies alles Handlungsfelder, |
94 | die auch Hochschulen und ihre Struktureinrichtungen wie |
95 | Bibliotheken und Rechenzentren in hohem Maße betreffen, den |
96 | Bereich der lokalen Infrastrukturen an Hochschulen klammert |
97 | das Konzept als Gegenstand dabei jedoch ausdrücklich aus: |
98 | „Nicht Gegenstand (...) waren Informationsinfrastrukturen |
99 | auf den lokalen Ebenen der Hochschul- oder |
100 | Forschungseinrichtungen, wie z. B. den Abteilungs-, |
101 | Instituts-, Fakultäts- und Universitätsinfrastrukturen. Die |
102 | Kommission sieht hier für die Zukunft klaren |
103 | Abstimmungsbedarf und weist darauf hin, dass sich die |
104 | Hochschulen ebenfalls gezielt mit infrastrukturellen |
105 | Themen und Aufgaben auseinandersetzen müssen.“ [FN: zit. |
106 | nach: ebd., S. 8.] |
107 | |
108 | Auch die teilweise in Zusammenarbeit mit der KII operierende |
109 | Allianz der Wissenschaftsorganisationen trägt über |
110 | allgemeine Forderungen wie der, dass netzbasierte Formen des |
111 | wissenschaftlichen Arbeitens durch innovative |
112 | Informationstechnologien unterstützt werden sollen, zu |
113 | diesen Punkten konkret wenig bei. [FN: Anmerkung: Einen |
114 | grundlegenden Überblick über aktuelle Entwicklungen und |
115 | Tendenzen liefert hier die Publikation |
116 | „Informationsinfrastrukturen im Wandel“ der Deutschen |
117 | Initiative für Netzwerkinformation e.V. und der bereits 2006 |
118 | erschienene Leitfaden für Hochschulstrategien zur |
119 | Informations- und Kommunikationsstruktur, herausgegeben von |
120 | der HRK-Kommission „Neue Medien und Wissenstransfer“. Hier |
121 | werden neben den vor allem in den letzten Jahren deutlich |
122 | gewordenen technischen und organisatorischen |
123 | Herausforderungen hinsichtlich einer integrierten |
124 | Informationsinfrastruktur an Hochschulen Probleme in Bezug |
125 | auf eine nachhaltige Implementierung von |
126 | Lernmanagementsystemen (LMS) angesprochen.] |
127 | |
128 | Einen grundlegenden Überblick über aktuelle Entwicklungen |
129 | und Tendenzen liefert hier die Publikation |
130 | Informationsinfrastrukturen im Wandel der Deutschen |
131 | Initiative für Netzwerkinformation e.V. und der bereits 2006 |
132 | erschienene Leitfaden für Hochschulstrategien zur |
133 | Informations- und Kommunikationsstruktur, herausgegeben von |
134 | der HRK-Kommission für Neue Medien und Wissenstransfer. Hier |
135 | werden neben den vor allem in den letzten Jahren deutlich |
136 | gewordenen technischen und organisatorischen |
137 | Herausforderungen hinsichtlich einer integrierten |
138 | Informationsinfrastruktur an Hochschulen Probleme in Bezug |
139 | auf eine nachhaltige Implementierung von |
140 | Lernmanagementsystemen (LMS) angesprochen. |
141 | |
142 | **1. Entwicklung digitaler Bildungsinfrastrukturen** |
143 | Der wachsende Fortschritt in der Entwicklung der |
144 | Informations- und Kommunikationstechnologie hat einen immer |
145 | stärker werdenden Einfluss auf die Hochschullehre sowie die |
146 | Lehr- und Lernszenarien. Zu traditionellen analogen |
147 | Bildungsinfrastrukturen sind in den letzten Jahren vermehrt |
148 | digitale Infrastrukturen hinzugekommen, die sich zum großen |
149 | Teil unter den Oberbegriffen „E-Learning“ oder „Elektronisch |
150 | gestütztes Lernen“ subsumieren lassen. Der um das Jahr 2000 |
151 | aufgekommene Begriff des E-Learning wurde zu einem so |
152 | genannten Buzz Word, das alle Formen elektronisch gestützten |
153 | Lernens bezeichnete. Folgende Definition von E-Learning |
154 | liegt diesem Kapitel zugrunde [FN: vgl.: Für eine |
155 | ausführliche Analyse der unterschiedlichen Begriffsvarianten |
156 | des E-Learning und verschiedener Systematisierungskonzepte |
157 | siehe: Ehlers, Ulf-Daniel: Qualität im E-Learning aus |
158 | Lernersicht. Wiesbaden: 2004.]: Allgemein werden unter |
159 | E-Learning „alle Lernformen gefasst (…), die – als kleinster |
160 | gemeinsamer Nenner – den Computer zur medialen Unterstützung |
161 | des Lernprozesses verwenden“. [FN: zit nach: Mediennutzung |
162 | und E-Learning in Schulen: |
163 | http://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berich |
164 | te/TAB-Arbeitsbericht-ab122.pdf, S. 25 (Abruf am 3.1.2012).] |
165 | Dabei ist zu beachten, dass neben der Technologie die |
166 | didaktische Methodik und die Organisation konstitutive |
167 | Elemente des E-Learning sind. Daher definiert Rainer |
168 | Albrecht E-Learning weitergehender als die Lernarrangements, |
169 | „die durch die Anwendung moderner Informations- und |
170 | Kommunikationstechnologien geprägt sind, bei denen eine |
171 | spezifische Methodik zur Anwendung kommt sowie eine |
172 | organisatorische Einbindung in die jeweilige Institution |
173 | stattfindet“.[FN: vgl./zit. nach: Albrecht, Rainer: |
174 | E-Learning in Hochschulen. Die Implementierung von |
175 | E-Learning an Präsenzhochschulen aus hochschuldidaktischer |
176 | Perspektive. dissertation.de - Verlag im Internet GmbH. ISBN |
177 | 3-89825-686-3: 2003. Online abrufbar unter: |
178 | http://www.raineralbrecht.de/resources/Dissertation_albrecht |
179 | _030723.pdf, S. 14f. (Abruf am 3.1.2012)] |
180 | |
181 | Das Ziel des Einsatzes elektronischer Medien in |
182 | Lernarrangements ist es, die „räumlich-zeitliche(n) |
183 | Beschränkungen traditioneller Lernformen aufzuheben, die auf |
184 | dem Lehrbuch bzw. der persönlichen Instruktion durch Lehrer |
185 | basieren“. [FN: zit. nach: Schmid, Ulrich: eLearning - |
186 | Vision und Wirklichkeit. In: Breiter, Andreas/ Wind, Martin |
187 | (/Hrsg.): Informationstechnik und ihre Organisationslücken. |
188 | Soziale, politische und rechtlicher Dimensionen aus der |
189 | Sicht von Wissenschaft und Praxis. Münster: 2011, S. 133 |
190 | (ff).] Durch die Förderung selbstgesteuerten und |
191 | kooperativen Lernens bietet E-Learning darüber hinaus viele |
192 | Chancen zu Verbesserung der Lehre. |
193 | |
194 | Die technischen, organisatorischen und medialen Vorteile des |
195 | E-Learning ergeben sich aus folgenden Faktoren: |
196 | |
197 | * Präsenzlehre und Selbststudium können durch den Zugriff |
198 | auf Informations-Ressourcen und Lernobjekte, auf Daten und |
199 | Medien erheblich bereichert werden; |
200 | |
201 | * Betreuung der Studierenden kann auch in den Phasen |
202 | zwischen den Lehrveranstaltungen verbessert und durch |
203 | computergestützte Kommunikationsmethoden unterstützt werden; |
204 | |
205 | * durch Einbeziehung des Internets in die Lehre können |
206 | Aktualität und der Umfang der Lehrinhalten gesteigert |
207 | werden; |
208 | |
209 | * die Chancen für Studierenden, die durch besondere |
210 | Bedingungen am Präsenzstudium nur eingeschränkt teilnehmen |
211 | können, können durch eLearning verbessert werden. [FN: vgl.: |
212 | Schulmeister, Rolf: eLearning - Einsichten und Aussichten. |
213 | München: 2006. S. 3f.] |
214 | |
215 | Einer anfänglichen Euphorie folgte nach einigen Jahren die |
216 | Ernüchterung und die Erkenntnis, dass die Verbreitung von |
217 | E-Learning insbesondere in Deutschland noch lange Zeit |
218 | brauchen wird, um sich vollends durchzusetzen. |
219 | |
220 | Die Bedeutung des E-Learning, insbesondere im Kontext der zu |
221 | erwartenden Entwicklung des Bildungs- und Forschungsbereichs |
222 | in der globalisierten Wissensgesellschaft, ist mittlerweile |
223 | als Unterstützung der Lehre weitgehend unstrittig. Doch |
224 | während Informations- und Kommunikationstechnologien bereits |
225 | zum festen Bestandteil der Kommunikations- und |
226 | Organisationskultur vieler Unternehmen geworden sind, |
227 | zeigen sich viele Unternehmen und Organisationen oder auch |
228 | Bildungsanbieter, Lernende und Lehrende häufig noch immer zu |
229 | zurückhaltend, wenn es um die Implementierung des E-Learning |
230 | geht. |
231 | Ein Durchbruch des E-Learning im Bereich des formalisierten |
232 | Lernens steht bis dato aus, was nach Ulrich Schmid nicht auf |
233 | technologische Gründe zurückzuführen sei. „Einer breiteren |
234 | Diffusion in den jeweiligen Bildungsbereichen standen und |
235 | stehen vielmehr organisatorische und kulturelle Hemmnisse |
236 | entgegen“ [zit. nach: Schmid, Ulrich: a.a.O., S. 133/145] |
237 | Prof. Peter A. Henning führte im Rahmen des |
238 | Expertengesprächs der Projektgruppe am 7. November 2011 im |
239 | Deutschen Bundestag aus, dass das größte Problem etwa beim |
240 | Einsatz von Lernplattformen häufig eine starke Konzentration |
241 | auf die Technologie sei. Werden diese Lernplattformen dann |
242 | eingesetzt, bleiben sie häufig in den Händen technischer |
243 | Abteilungen, die Inhalte weder bereitstellen noch pflegen. |
244 | Insbesondere im Hochschulbereich sei dies nach wie vor ein |
245 | großes Problem, weil dadurch die Akzeptanz unter den |
246 | Studierenden gering sei und der mögliche Effekt einer |
247 | Entlastung der Hochschulen nur selten eintrete. [FN: vgl.: |
248 | Henning, Peter A.: Stellungnahme zum öffentlichen |
249 | Expertengespräch der Projektgruppe Bildung und Forschung am |
250 | 7. November 2011 im Deutschen Bundestag. Online abrufbar |
251 | unter: |
252 | http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Bildun |
253 | g_und_Forschung/PGBuF_2011-11-07_Expertengespraech/PGBuF_201 |
254 | 1-11-07_Stellungnahme_Henning.pdf] |
255 | Christian Kreidl weist hinsichtlich der Bedingungsfaktoren |
256 | für die Akzeptanz von E-Learning-Elementen an Hochschulen |
257 | nach, dass vor allem didaktische Faktoren, noch viel mehr |
258 | als organisatorische Faktoren, die Akzeptanz von E-Learning |
259 | beeinflussen. [FN: vgl.: Kreidl, Christian: Akzeptanz und |
260 | Nutzung von E-Learning-Elementen an Hochschulen. Münster: |
261 | 2011, S. 142.] Gestaltungsfelder für die Implementierung von |
262 | Nachhaltigkeit bei E-Learning- Angeboten müssen sich daher |
263 | neben der Gestaltung der technologischen Dimension |
264 | insbesondere auf die Gestaltung der didaktischen Dimension |
265 | beziehen. [FN: vgl.: Euler, Dieter/ Seufert, Sabine: |
266 | Nachhaltigkeit von eLearning Innovationen. SCIL |
267 | Arbeitsbericht 4, Universität St. Gallen, 2005, S. 77.] |
268 | Dabei kommt den Lehrenden und „ihrer Kompetenz und |
269 | Motivation, (…) eine Schlüsselrolle zu, um E-Learning zu |
270 | verankern und eine innovative Lehr-Lern-Kultur zu |
271 | etablieren“. [FN: vgl.: Kerres, Michael/ Stratmann, Hörg/ |
272 | Ojstersek, Nadine/Preußler, Annabell: Digitale Lernwelten in |
273 | der Hochschule. In: Hugger, Kai-Uwe/Walber, Markus (Hrsg.): |
274 | Digitale Lernwelten. Wiesbaden: 2010, S. 142.] Denn die |
275 | Verfügbarkeit von Technik führt nicht zwangsläufig zu einer |
276 | Veränderung der Praxis. [FN: vgl.: ebd., S. 154] |
277 | |
278 | |
279 | Dabei könnten gerade Hochschulen mittels der digitalen |
280 | Medien und der ihnen eigenen Merkmale – wie Interaktivität, |
281 | Vernetzung und Multimedialität – eine Verbesserung der |
282 | didaktischen und methodischen Qualität erzielen. Sie |
283 | verschaffen den Bildungseinrichtungen die Gelegenheit, neue |
284 | Lehr- und Lernformen zu erproben. |
285 | |
286 | Dabei ist das Ausmaß des Einsatzes digitaler |
287 | Bildungsinfrastrukturen und Medien an deutschen Hochschulen, |
288 | nicht zuletzt wegen der föderalen Zuständigkeit und der |
289 | Hochschulautonomie, sehr uneinheitlich. Während einige |
290 | Bundesländer Initiativen für E-Learning ins Leben gerufen |
291 | haben, wird dem Thema in anderen Ländern eine weniger große |
292 | Bedeutung beigemessen. Eine grundsätzliche Aussage zum |
293 | Einsatz digitaler Medien an Hochschulen in Deutschland ist |
294 | daher kaum zu treffen. |
295 | 2008/2009 zeigten beispielsweise interne Erhebungen des |
296 | baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft und |
297 | Kunst Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes digitaler |
298 | Medien an unterschiedlichen Hochschultypen: Während an |
299 | Pädagogischen Hochschulen im Durchschnitt bis zu 44 Prozent |
300 | der Lehrveranstaltungen elektronisch gestaltet werden, |
301 | geschieht dies an Universitäten nur zu etwa 17 Prozent. |
302 | Fachhochschulen hingegen gestalten etwa 20 Prozent ihrer |
303 | Lehrveranstaltungen elektronisch, duale Hochschulen 11 |
304 | Prozent. Ähnliche Unterschiede finden sich auch in anderen |
305 | Bundesländern. Hinzu kommt, dass den Durchschnittswerten |
306 | hohe Gefälle unter den einzelnen Hochschulen zu Grunde |
307 | liegen. Während einige Hochschulen das Thema E-Learning fest |
308 | in ihrer Strategie verankert haben, gibt es andere, bei |
309 | denen digitale Medien in der Lehre so gut wie gar nicht zum |
310 | Tragen kommen. |
311 | |
312 | Neben der Ausstattung von Bildungseinrichtungen mit |
313 | adäquater Hard- und Software ist insbesondere die Skepsis |
314 | oder gar Ablehnung unter den Lehrenden in Bezug auf den |
315 | Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien |
316 | (IKT) ein ernsthaftes Problem. Während beispielsweise |
317 | britische Pädagogen der IKT-Nutzung positiv gegenüber stehen |
318 | und über gute Kenntnisse bzw. Fertigkeiten im Umgang mit |
319 | Computern verfügen, schätzen deutsche Pädagogen ihre |
320 | IKT-Kenntnisse „insgesamt eher kritisch ein“. [FN: vgl.: |
321 | Revermann, Christoph/Georgieff, Peter/Kimpeler, Simone: |
322 | Mediennutzung und eLearning in Schulen. Sachstandsbericht |
323 | zum Monitoring „eLearning“. Deutscher Bundestag/Ausschuss |
324 | für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung, |
325 | Arbeitsbericht Nr. 122 / Dezember 2007, Ausschuss-Drucksache |
326 | 16(18)330 vom 14. Februar 2008.] Es stellt sich die Frage, |
327 | inwiefern diese Einschätzung auch an weiterführenden |
328 | Bildungseinrichtungen verbreitet ist. Lehrkräften kommt eine |
329 | Schlüsselrolle bei der Implementierung von E-Learning zu, |
330 | weshalb besonderes Augenmerk auf die Entwicklung |
331 | didaktischer Konzepte gelegt werden muss, denn „die reine |
332 | Verfügbarkeit verändert die didaktische Praxis von Lehrenden |
333 | kaum“. [FN: vgl.: Kerres, Michael/Stratmann, Hörg/Ojstersek, |
334 | Nadine/Preußler, Annabell: a.a.O., S. 142.] |
335 | |
336 | Im Folgenden soll auf einzelne Punkte, die für das Thema |
337 | „Digitale Bildungsinfrastrukturen an Hochschulen“ von |
338 | Relevanz sind, eingegangen werden. |
339 | |
340 | >>> [siehe TEIL |
341 | 2](https://bildung.enquetebeteiligung.de/page/02_Hochschulbi |
342 | ldung_TEIL_2) |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Kapitel II/2. „Hochschulbildung“ – TEIL 1 |
2 | |
3 | (Stand: 6. Februar 2012) |
4 | |
5 | |
6 | Inhaltsverzeichnis |
7 | |
8 | Einleitung |
9 | I. Zum Einsatz digitaler Bildungsinfrastrukturen und |
10 | digitaler Medien in |
11 | der Hochschullehre |
12 | 1. Entwicklung digitaler Bildungsinfrastrukturen |
13 | 1.1 E-Learning: didaktische Ansätze |
14 | 1.2 Nutzung von E-Learning-Angeboten |
15 | 1.3 Medienkompetenz bei Lehrenden und Studierenden |
16 | 1.4 Landesinitiativen für E-Learning an deutschen |
17 | Hochschulen |
18 | 1.5 Kooperation von Hochschulen |
19 | 1.6 Nachhaltigkeit von E-Learning-Angeboten |
20 | 1.7 Web 2.0 in der Hochschullehre |
21 | 1.8 Förderprogramme |
22 | 1.9 Digitale Medien im Erwerbungsetat der |
23 | Wissenschaftlichen |
24 | Bibliotheken |
25 | 2. Nutzung digitaler Medien in Kooperationen mit der |
26 | Wirtschaft |
27 | 3.Technische Ausstattung der Hochschulen |
28 | 3.1 Technische Vernetzung von Hochschulen |
29 | 3.2 Software für Lern- und |
30 | Hochschulmanagementsysteme |
31 | 3.3 Integriertes Informationsmanagement |
32 | II. Perspektiven und zukünftige Entwicklungen |
33 | 1. Themenschwerpunkt: Bibliotheken und Urheberrecht |
34 | 2. Themenschwerpunkt: Offene Hochschule |
35 | 2.1. Open University-Modelle |
36 | 2.2. Träger der Einrichtung – Bund, Länder oder |
37 | unabhängige Stiftung |
38 | |
39 | |
40 | **Einleitung** |
41 | |
42 | Der wissenschaftliche Arbeits-, Lern- und Lehralltag ist |
43 | mittlerweile weitgehend von der Digitalisierung bestimmt. |
44 | Neue Formen der Kommunikation, Kooperation und Vernetzung |
45 | bieten enorme Potenziale, um Bildungs- und |
46 | Forschungsprozesse aktiv, flexibel und unabhängig von Ort |
47 | und Zeit zu gestalten. Dieses Kapitel betrachtet daher die |
48 | Ziele des Einsatzes digitaler Medien in Hochschulen und |
49 | erörtert zukünftige Entwicklungen für die Nutzung |
50 | wissenschaftlicher Informationen in Bibliotheken und neue |
51 | Perspektiven für Offene Hochschulen. |
52 | |
53 | |
54 | **I. Zum Einsatz digitaler Bildungsinfrastrukturen und |
55 | digitaler Medien in der Hochschullehre** |
56 | Seit gut zehn Jahren kommen digitale Medien und |
57 | Infrastrukturen in der Hochschullehre verstärkt zum Einsatz. |
58 | Diese Entwicklung stellt die Hochschulen vor große |
59 | Herausforderungen. Nachfolgend sollen sowohl der derzeitige |
60 | Entwicklungsstand als auch bestehende Defizite und Probleme |
61 | beschrieben werden. |
62 | |
63 | Die Informationsinfrastruktur in Deutschland ist von der |
64 | Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII) im |
65 | Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes |
66 | und der Länder in einem Gesamtkonzept ausführlich evaluiert |
67 | worden: |
68 | „Der epochale Wandel in der Informations- und |
69 | Kommunikationstechnologie (z. B. Digitalisierung, |
70 | Webtechnologie) führt zu grundlegenden Veränderungen |
71 | des wissenschaftlichen Arbeitens. Dementsprechend steigen |
72 | und verändern sich die Anforderungen der Nutzer an |
73 | die wissenschaftliche Informationsinfrastruktur. Ihr |
74 | Aufgabenspektrum geht erheblich über das der früher |
75 | so genannten „Fachinformation“ hinaus, und die ehemals |
76 | klar abgegrenzten und abgrenzbaren Fach- und |
77 | Aufgabengebiete haben ihre Trennschärfe verloren. Heute |
78 | und in Zukunft geht es um komplexe, integrierte |
79 | Dienstleitungen zur Unterstützung des Wissenschaftlers |
80 | auf allen Stufen des Forschungsprozesses bis hin zur |
81 | Integration der Forschungsergebnisse in die Lehre.“ [FN: |
82 | zit. nach.: Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur |
83 | (Hrsg.): Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in |
84 | Deutschland. Empfehlungen der Kommission Zukunft der |
85 | Informationsinfrastruktur im Auftrag der Gemeinsamen |
86 | Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. April |
87 | 2011, S. 6. Online abrufbar unter: |
88 | http://www.leibniz-gemeinschaft.de/?nid=infrastr& |
89 | nidap=&print=0] Handlungsfelder wie Lizenzierung, |
90 | Hosting/Langzeitarchivierung, nichttextuelle Materialien, |
91 | Retrodigitalisierung/ kulturelles Erbe, virtuelle |
92 | Forschungsumgebungen, Open Access und Forschungsdaten stehen |
93 | dabei im Mittelpunkt. Zwar sind dies alles Handlungsfelder, |
94 | die auch Hochschulen und ihre Struktureinrichtungen wie |
95 | Bibliotheken und Rechenzentren in hohem Maße betreffen, den |
96 | Bereich der lokalen Infrastrukturen an Hochschulen klammert |
97 | das Konzept als Gegenstand dabei jedoch ausdrücklich aus: |
98 | „Nicht Gegenstand (...) waren Informationsinfrastrukturen |
99 | auf den lokalen Ebenen der Hochschul- oder |
100 | Forschungseinrichtungen, wie z. B. den Abteilungs-, |
101 | Instituts-, Fakultäts- und Universitätsinfrastrukturen. Die |
102 | Kommission sieht hier für die Zukunft klaren |
103 | Abstimmungsbedarf und weist darauf hin, dass sich die |
104 | Hochschulen ebenfalls gezielt mit infrastrukturellen |
105 | Themen und Aufgaben auseinandersetzen müssen.“ [FN: zit. |
106 | nach: ebd., S. 8.] |
107 | |
108 | Auch die teilweise in Zusammenarbeit mit der KII operierende |
109 | Allianz der Wissenschaftsorganisationen trägt über |
110 | allgemeine Forderungen wie der, dass netzbasierte Formen des |
111 | wissenschaftlichen Arbeitens durch innovative |
112 | Informationstechnologien unterstützt werden sollen, zu |
113 | diesen Punkten konkret wenig bei. [FN: Anmerkung: Einen |
114 | grundlegenden Überblick über aktuelle Entwicklungen und |
115 | Tendenzen liefert hier die Publikation |
116 | „Informationsinfrastrukturen im Wandel“ der Deutschen |
117 | Initiative für Netzwerkinformation e.V. und der bereits 2006 |
118 | erschienene Leitfaden für Hochschulstrategien zur |
119 | Informations- und Kommunikationsstruktur, herausgegeben von |
120 | der HRK-Kommission „Neue Medien und Wissenstransfer“. Hier |
121 | werden neben den vor allem in den letzten Jahren deutlich |
122 | gewordenen technischen und organisatorischen |
123 | Herausforderungen hinsichtlich einer integrierten |
124 | Informationsinfrastruktur an Hochschulen Probleme in Bezug |
125 | auf eine nachhaltige Implementierung von |
126 | Lernmanagementsystemen (LMS) angesprochen.] |
127 | |
128 | Einen grundlegenden Überblick über aktuelle Entwicklungen |
129 | und Tendenzen liefert hier die Publikation |
130 | Informationsinfrastrukturen im Wandel der Deutschen |
131 | Initiative für Netzwerkinformation e.V. und der bereits 2006 |
132 | erschienene Leitfaden für Hochschulstrategien zur |
133 | Informations- und Kommunikationsstruktur, herausgegeben von |
134 | der HRK-Kommission für Neue Medien und Wissenstransfer. Hier |
135 | werden neben den vor allem in den letzten Jahren deutlich |
136 | gewordenen technischen und organisatorischen |
137 | Herausforderungen hinsichtlich einer integrierten |
138 | Informationsinfrastruktur an Hochschulen Probleme in Bezug |
139 | auf eine nachhaltige Implementierung von |
140 | Lernmanagementsystemen (LMS) angesprochen. |
141 | |
142 | **1. Entwicklung digitaler Bildungsinfrastrukturen** |
143 | Der wachsende Fortschritt in der Entwicklung der |
144 | Informations- und Kommunikationstechnologie hat einen immer |
145 | stärker werdenden Einfluss auf die Hochschullehre sowie die |
146 | Lehr- und Lernszenarien. Zu traditionellen analogen |
147 | Bildungsinfrastrukturen sind in den letzten Jahren vermehrt |
148 | digitale Infrastrukturen hinzugekommen, die sich zum großen |
149 | Teil unter den Oberbegriffen „E-Learning“ oder „Elektronisch |
150 | gestütztes Lernen“ subsumieren lassen. Der um das Jahr 2000 |
151 | aufgekommene Begriff des E-Learning wurde zu einem so |
152 | genannten Buzz Word, das alle Formen elektronisch gestützten |
153 | Lernens bezeichnete. Folgende Definition von E-Learning |
154 | liegt diesem Kapitel zugrunde [FN: vgl.: Für eine |
155 | ausführliche Analyse der unterschiedlichen Begriffsvarianten |
156 | des E-Learning und verschiedener Systematisierungskonzepte |
157 | siehe: Ehlers, Ulf-Daniel: Qualität im E-Learning aus |
158 | Lernersicht. Wiesbaden: 2004.]: Allgemein werden unter |
159 | E-Learning „alle Lernformen gefasst (…), die – als kleinster |
160 | gemeinsamer Nenner – den Computer zur medialen Unterstützung |
161 | des Lernprozesses verwenden“. [FN: zit nach: Mediennutzung |
162 | und E-Learning in Schulen: |
163 | http://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berich |
164 | te/TAB-Arbeitsbericht-ab122.pdf, S. 25 (Abruf am 3.1.2012).] |
165 | Dabei ist zu beachten, dass neben der Technologie die |
166 | didaktische Methodik und die Organisation konstitutive |
167 | Elemente des E-Learning sind. Daher definiert Rainer |
168 | Albrecht E-Learning weitergehender als die Lernarrangements, |
169 | „die durch die Anwendung moderner Informations- und |
170 | Kommunikationstechnologien geprägt sind, bei denen eine |
171 | spezifische Methodik zur Anwendung kommt sowie eine |
172 | organisatorische Einbindung in die jeweilige Institution |
173 | stattfindet“.[FN: vgl./zit. nach: Albrecht, Rainer: |
174 | E-Learning in Hochschulen. Die Implementierung von |
175 | E-Learning an Präsenzhochschulen aus hochschuldidaktischer |
176 | Perspektive. dissertation.de - Verlag im Internet GmbH. ISBN |
177 | 3-89825-686-3: 2003. Online abrufbar unter: |
178 | http://www.raineralbrecht.de/resources/Dissertation_albrecht |
179 | _030723.pdf, S. 14f. (Abruf am 3.1.2012)] |
180 | |
181 | Das Ziel des Einsatzes elektronischer Medien in |
182 | Lernarrangements ist es, die „räumlich-zeitliche(n) |
183 | Beschränkungen traditioneller Lernformen aufzuheben, die auf |
184 | dem Lehrbuch bzw. der persönlichen Instruktion durch Lehrer |
185 | basieren“. [FN: zit. nach: Schmid, Ulrich: eLearning - |
186 | Vision und Wirklichkeit. In: Breiter, Andreas/ Wind, Martin |
187 | (/Hrsg.): Informationstechnik und ihre Organisationslücken. |
188 | Soziale, politische und rechtlicher Dimensionen aus der |
189 | Sicht von Wissenschaft und Praxis. Münster: 2011, S. 133 |
190 | (ff).] Durch die Förderung selbstgesteuerten und |
191 | kooperativen Lernens bietet E-Learning darüber hinaus viele |
192 | Chancen zu Verbesserung der Lehre. |
193 | |
194 | Die technischen, organisatorischen und medialen Vorteile des |
195 | E-Learning ergeben sich aus folgenden Faktoren: |
196 | |
197 | * Präsenzlehre und Selbststudium können durch den Zugriff |
198 | auf Informations-Ressourcen und Lernobjekte, auf Daten und |
199 | Medien erheblich bereichert werden; |
200 | |
201 | * Betreuung der Studierenden kann auch in den Phasen |
202 | zwischen den Lehrveranstaltungen verbessert und durch |
203 | computergestützte Kommunikationsmethoden unterstützt werden; |
204 | |
205 | * durch Einbeziehung des Internets in die Lehre können |
206 | Aktualität und der Umfang der Lehrinhalten gesteigert |
207 | werden; |
208 | |
209 | * die Chancen für Studierenden, die durch besondere |
210 | Bedingungen am Präsenzstudium nur eingeschränkt teilnehmen |
211 | können, können durch eLearning verbessert werden. [FN: vgl.: |
212 | Schulmeister, Rolf: eLearning - Einsichten und Aussichten. |
213 | München: 2006. S. 3f.] |
214 | |
215 | Einer anfänglichen Euphorie folgte nach einigen Jahren die |
216 | Ernüchterung und die Erkenntnis, dass die Verbreitung von |
217 | E-Learning insbesondere in Deutschland noch lange Zeit |
218 | brauchen wird, um sich vollends durchzusetzen. |
219 | |
220 | Die Bedeutung des E-Learning, insbesondere im Kontext der zu |
221 | erwartenden Entwicklung des Bildungs- und Forschungsbereichs |
222 | in der globalisierten Wissensgesellschaft, ist mittlerweile |
223 | als Unterstützung der Lehre weitgehend unstrittig. Doch |
224 | während Informations- und Kommunikationstechnologien bereits |
225 | zum festen Bestandteil der Kommunikations- und |
226 | Organisationskultur vieler Unternehmen geworden sind, |
227 | zeigen sich viele Unternehmen und Organisationen oder auch |
228 | Bildungsanbieter, Lernende und Lehrende häufig noch immer zu |
229 | zurückhaltend, wenn es um die Implementierung des E-Learning |
230 | geht. |
231 | Ein Durchbruch des E-Learning im Bereich des formalisierten |
232 | Lernens steht bis dato aus, was nach Ulrich Schmid nicht auf |
233 | technologische Gründe zurückzuführen sei. „Einer breiteren |
234 | Diffusion in den jeweiligen Bildungsbereichen standen und |
235 | stehen vielmehr organisatorische und kulturelle Hemmnisse |
236 | entgegen“ [zit. nach: Schmid, Ulrich: a.a.O., S. 133/145] |
237 | Prof. Peter A. Henning führte im Rahmen des |
238 | Expertengesprächs der Projektgruppe am 7. November 2011 im |
239 | Deutschen Bundestag aus, dass das größte Problem etwa beim |
240 | Einsatz von Lernplattformen häufig eine starke Konzentration |
241 | auf die Technologie sei. Werden diese Lernplattformen dann |
242 | eingesetzt, bleiben sie häufig in den Händen technischer |
243 | Abteilungen, die Inhalte weder bereitstellen noch pflegen. |
244 | Insbesondere im Hochschulbereich sei dies nach wie vor ein |
245 | großes Problem, weil dadurch die Akzeptanz unter den |
246 | Studierenden gering sei und der mögliche Effekt einer |
247 | Entlastung der Hochschulen nur selten eintrete. [FN: vgl.: |
248 | Henning, Peter A.: Stellungnahme zum öffentlichen |
249 | Expertengespräch der Projektgruppe Bildung und Forschung am |
250 | 7. November 2011 im Deutschen Bundestag. Online abrufbar |
251 | unter: |
252 | http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Bildun |
253 | g_und_Forschung/PGBuF_2011-11-07_Expertengespraech/PGBuF_201 |
254 | 1-11-07_Stellungnahme_Henning.pdf] |
255 | Christian Kreidl weist hinsichtlich der Bedingungsfaktoren |
256 | für die Akzeptanz von E-Learning-Elementen an Hochschulen |
257 | nach, dass vor allem didaktische Faktoren, noch viel mehr |
258 | als organisatorische Faktoren, die Akzeptanz von E-Learning |
259 | beeinflussen. [FN: vgl.: Kreidl, Christian: Akzeptanz und |
260 | Nutzung von E-Learning-Elementen an Hochschulen. Münster: |
261 | 2011, S. 142.] Gestaltungsfelder für die Implementierung von |
262 | Nachhaltigkeit bei E-Learning- Angeboten müssen sich daher |
263 | neben der Gestaltung der technologischen Dimension |
264 | insbesondere auf die Gestaltung der didaktischen Dimension |
265 | beziehen. [FN: vgl.: Euler, Dieter/ Seufert, Sabine: |
266 | Nachhaltigkeit von eLearning Innovationen. SCIL |
267 | Arbeitsbericht 4, Universität St. Gallen, 2005, S. 77.] |
268 | Dabei kommt den Lehrenden und „ihrer Kompetenz und |
269 | Motivation, (…) eine Schlüsselrolle zu, um E-Learning zu |
270 | verankern und eine innovative Lehr-Lern-Kultur zu |
271 | etablieren“. [FN: vgl.: Kerres, Michael/ Stratmann, Hörg/ |
272 | Ojstersek, Nadine/Preußler, Annabell: Digitale Lernwelten in |
273 | der Hochschule. In: Hugger, Kai-Uwe/Walber, Markus (Hrsg.): |
274 | Digitale Lernwelten. Wiesbaden: 2010, S. 142.] Denn die |
275 | Verfügbarkeit von Technik führt nicht zwangsläufig zu einer |
276 | Veränderung der Praxis. [FN: vgl.: ebd., S. 154] |
277 | |
278 | |
279 | Dabei könnten gerade Hochschulen mittels der digitalen |
280 | Medien und der ihnen eigenen Merkmale – wie Interaktivität, |
281 | Vernetzung und Multimedialität – eine Verbesserung der |
282 | didaktischen und methodischen Qualität erzielen. Sie |
283 | verschaffen den Bildungseinrichtungen die Gelegenheit, neue |
284 | Lehr- und Lernformen zu erproben. |
285 | |
286 | Dabei ist das Ausmaß des Einsatzes digitaler |
287 | Bildungsinfrastrukturen und Medien an deutschen Hochschulen, |
288 | nicht zuletzt wegen der föderalen Zuständigkeit und der |
289 | Hochschulautonomie, sehr uneinheitlich. Während einige |
290 | Bundesländer Initiativen für E-Learning ins Leben gerufen |
291 | haben, wird dem Thema in anderen Ländern eine weniger große |
292 | Bedeutung beigemessen. Eine grundsätzliche Aussage zum |
293 | Einsatz digitaler Medien an Hochschulen in Deutschland ist |
294 | daher kaum zu treffen. |
295 | 2008/2009 zeigten beispielsweise interne Erhebungen des |
296 | baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft und |
297 | Kunst Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes digitaler |
298 | Medien an unterschiedlichen Hochschultypen: Während an |
299 | Pädagogischen Hochschulen im Durchschnitt bis zu 44 Prozent |
300 | der Lehrveranstaltungen elektronisch gestaltet werden, |
301 | geschieht dies an Universitäten nur zu etwa 17 Prozent. |
302 | Fachhochschulen hingegen gestalten etwa 20 Prozent ihrer |
303 | Lehrveranstaltungen elektronisch, duale Hochschulen 11 |
304 | Prozent. Ähnliche Unterschiede finden sich auch in anderen |
305 | Bundesländern. Hinzu kommt, dass den Durchschnittswerten |
306 | hohe Gefälle unter den einzelnen Hochschulen zu Grunde |
307 | liegen. Während einige Hochschulen das Thema E-Learning fest |
308 | in ihrer Strategie verankert haben, gibt es andere, bei |
309 | denen digitale Medien in der Lehre so gut wie gar nicht zum |
310 | Tragen kommen. |
311 | |
312 | Neben der Ausstattung von Bildungseinrichtungen mit |
313 | adäquater Hard- und Software ist insbesondere die Skepsis |
314 | oder gar Ablehnung unter den Lehrenden in Bezug auf den |
315 | Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien |
316 | (IKT) ein ernsthaftes Problem. Während beispielsweise |
317 | britische Pädagogen der IKT-Nutzung positiv gegenüber stehen |
318 | und über gute Kenntnisse bzw. Fertigkeiten im Umgang mit |
319 | Computern verfügen, schätzen deutsche Pädagogen ihre |
320 | IKT-Kenntnisse „insgesamt eher kritisch ein“. [FN: vgl.: |
321 | Revermann, Christoph/Georgieff, Peter/Kimpeler, Simone: |
322 | Mediennutzung und eLearning in Schulen. Sachstandsbericht |
323 | zum Monitoring „eLearning“. Deutscher Bundestag/Ausschuss |
324 | für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung, |
325 | Arbeitsbericht Nr. 122 / Dezember 2007, Ausschuss-Drucksache |
326 | 16(18)330 vom 14. Februar 2008.] Es stellt sich die Frage, |
327 | inwiefern diese Einschätzung auch an weiterführenden |
328 | Bildungseinrichtungen verbreitet ist. Lehrkräften kommt eine |
329 | Schlüsselrolle bei der Implementierung von E-Learning zu, |
330 | weshalb besonderes Augenmerk auf die Entwicklung |
331 | didaktischer Konzepte gelegt werden muss, denn „die reine |
332 | Verfügbarkeit verändert die didaktische Praxis von Lehrenden |
333 | kaum“. [FN: vgl.: Kerres, Michael/Stratmann, Hörg/Ojstersek, |
334 | Nadine/Preußler, Annabell: a.a.O., S. 142.] |
335 | |
336 | Im Folgenden soll auf einzelne Punkte, die für das Thema |
337 | „Digitale Bildungsinfrastrukturen an Hochschulen“ von |
338 | Relevanz sind, eingegangen werden. |
339 | |
340 | >>> [siehe TEIL |
341 | 2](https://bildung.enquetebeteiligung.de/page/02_Hochschulbi |
342 | ldung_TEIL_2) |