Papier: 01.01.03 Frühkindliche Bildungskonzepte und -prozesse
Originalversion
1 | Kinder „sind geborene Lerner von Anfang an. Sie lernen dann |
2 | am erfolgreichsten und intensivsten, wenn man davon ausgeht, |
3 | was sie können, wenn man dieses Können zu schätzen weiß und |
4 | für ihr Weiterdenken nutzbar macht, indem man ihnen Probleme |
5 | zu lösen gibt, die ihre Fähigkeiten zu neuen |
6 | Bewältigungsversuchen herausfordern“. [FN: zit. nach: |
7 | Schäfer, Gerd E.: Bildung beginnt mit der Geburt. Förderung |
8 | von Bildungsprozessen in den ersten sechs Lebensjahren. 1. |
9 | Aufl. Weinheim/Basel/Berlin: 2003. In: Dreyer, Rahel: |
10 | a.a.O., S. 357. ] |
11 | |
12 | In einer digitalisierten Welt, in der Kinder immer zeitiger |
13 | in Kontakt mit neuen Medien kommen, stellen sich auch neue |
14 | Fragen an die Frühpädagogik. Die bislang vorhandenen |
15 | Konzepte versuchen, aktuelle entwicklungspsychologische und |
16 | lerntheoretische Erkenntnisse zu vereinen. Wissenschaftliche |
17 | Grundlagen bilden dabei vor allem die Neurobiologie sowie |
18 | die Säuglings- und Kleinkindforschung. Im Folgenden werden |
19 | einige der gegenwärtig diskutierten frühkindlichen |
20 | Bildungsansätze dargestellt. |
21 | |
22 | Frühpädagogische Bildungskonzepte gehen – vor allem im |
23 | offenen Bildungsansatz – von der Selbstständigkeit und |
24 | Selbstbestimmtheit eines Kindes aus. Auch müssen sie „in |
25 | Einklang mit dessen Möglichkeiten und Initiativen gebracht |
26 | werden“. [FN: zit. nach: Schäfer, Gerd E.: Bildung beginnt |
27 | mit der Geburt. Ein offener Bildungsplan für |
28 | Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. 2., |
29 | erweiterte Aufl., Berlin/Düsseldorf/Mannheim: 2005, S. 57. ] |
30 | Zudem ist es erforderlich, „sowohl die Sinnperspektive der |
31 | Kinder als auch die des sozialen Umfeldes und der sachlichen |
32 | Inhalte aufeinander“ abzustimmen. [FN: zit. nach: ebd., S. |
33 | 58.] Auf diese Weise wird den Kindern statt reiner |
34 | Wissensvermittlung ein forschendes Lernen ermöglicht. Die |
35 | Erzieherin bzw. der Erzieher übernimmt darin die Rolle der- |
36 | oder desjenigen, die oder der „die Kinder darin begleitet, |
37 | Bildungsprozesse im Rahmen sozialer und kultureller |
38 | Möglichkeiten weiter zu entwickeln“. [FN: zit. nach: ebd., |
39 | S. 58.] |
40 | |
41 | Der kompetenz- und instruktionsorientierte Ansatz hingegen |
42 | begreift Bildung eher als einen sozialen Prozess, „der in |
43 | einem spezifischen Kontext stattfindet, und an dem, neben |
44 | Kindern und Fachkräften, auch Eltern und andere Erwachsene |
45 | beteiligt sind“. [FN: zit. nach: Fthenakis, Wassilios E.: |
46 | Zur Neukonzeptionalisierung von Bildung in der frühen |
47 | Kindheit. In: Fthenakis, Wassilios E. (Hrsg.): |
48 | Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten |
49 | Bildungseinrichtungen werden können. Freiburg/Basel/Wien: |
50 | 2003, S. 27. ] Im Zentrum dieses Ansatzes steht das Kind als |
51 | eine eigenständige Persönlichkeit, das seine Bildung und |
52 | Erziehung mitgestaltet. Zugrunde liegt dem ein |
53 | Bildungsverständnis, das auf institutionalisierte und |
54 | systematisch strukturierte Lernangebote setzt und von einer |
55 | eher schulischen Form der Wissensvermittlung bzw. des |
56 | Lernens ausgeht. [FN: vgl.: Dreyer, Rahel: a.a.O., S. 356f. |
57 | ] Die Erzieherinnen und Erzieher sind hier weniger |
58 | Begleiter, sondern vielmehr Vermittler von Wissen und |
59 | Können. |
60 | |
61 | Das meist angewandte frühpädagogische Konzept ist bislang |
62 | jedoch der so genannte Situationsansatz. Hier werden Themen, |
63 | die im Lebensalltag der Kinder von Bedeutung sind so |
64 | strukturiert und geordnet, dass sie für diese handhabbar |
65 | werden. Ziel ist es, den Kindern die Kompetenzen zu |
66 | vermitteln, die sie für eine selbstständige Bewältigung |
67 | ihrer realen Lebenssituation benötigen. Es geht also um |
68 | Erfahrungs- und Bildungsprozesse, die Kinder und später auch |
69 | Jugendliche befähigen sollen, ihre Lebens(um)welt aktiv zu |
70 | gestalten. Ausgehend von realen Schlüsselsituationen |
71 | erwerben die Kinder mittels Beobachtung und |
72 | Situationsanalyse Ich-, sozial- und sachbezogene |
73 | Kompetenzen. Grundvoraussetzung für dieses Lernkonzept ist |
74 | das Interesse und aktive Mitwirken der Kinder. Nicht zuletzt |
75 | liegt dem Ansatz auch das Prinzip des gegenseitigen und |
76 | lebenslangen Lernens zugrunde. [FN: vgl.: ebd., S. 359ff. ] |
77 | |
78 | Das System, mit dessen Hilfe Kinder ihre Umwelt verstehen, |
79 | erfahren und einordnen, müssen sie selbst entwickeln. Die |
80 | Grundlage dabei bilden zunächst einfache Verhaltens- und |
81 | Verarbeitungsmuster. Frühkindliche Bildung ist, darüber ist |
82 | sich die Wissenschaft weitgehend einig, ein sehr komplexer |
83 | Prozess. Die kognitiven, aber auch kreativen Fähigkeiten des |
84 | Kindes ermöglichen dabei in unterschiedlichem Maße das |
85 | Filtern, Auswählen, Strukturieren, Einordnen, Deuten und |
86 | Nutzen von Umwelterfahrungen. Darüber hinaus sorgen soziale |
87 | Beziehungen dafür, dass Kinder in die Lage versetzt werden, |
88 | ihnen hilfreiche Erfahrungs- und Bedeutungsmuster |
89 | auszubilden. |
90 | |
91 | Frühkindliche Bildung ist kein ausschließlich innerer |
92 | Prozess. Er wird in vielfacher Hinsicht sozial geprägt und |
93 | verläuft ganz besonders im frühen Lebensalter sehr stark |
94 | innerhalb sozialer sowie kultureller Beziehungen. All diese |
95 | liegen auch der kindlichen Umweltwahrnehmung zugrunde. |
96 | Insofern benötigt frühkindliche Bildung immer einen |
97 | sachlichen, sozialen wie emotionalen Rahmen, in dem Kinder |
98 | ihre Erfahrungshorizonte eigenständig gewinnen und erweitern |
99 | können. Doch sollten Erwachsene – ob Eltern, Familie, |
100 | Erzieher oder Lehrer – die Wahrnehmungen der Kinder nicht |
101 | nur ermöglichen, fordern und fördern. Sie sollten mit den |
102 | Aufwachsenden auch in einen stetigen Austausch darüber |
103 | treten. [FN: vgl.: Schäfer, Gerd E.: Prozesse frühkindlicher |
104 | Bildung. (Typoskript). Köln: 2001, S. 6ff. Online abrufbar |
105 | unter: |
106 | http://www.hf.uni-koeln.de/data/eso/File/Schaefer/Prozesse_F |
107 | ruehkindlicher_Bildung_Duplex.pdf] Frühkindliche Bildung |
108 | muss all diese Aspekte im Blick behalten, wissenschaftlich |
109 | analysieren, in pädagogische Konzepte überführen und an die |
110 | Herausforderungen der Gegenwart wie Zukunft anpassen. Dies |
111 | wird umso notwendiger werden, je weiter und schneller die |
112 | (mediale) Digitalisierung des Alltags auch die Kleinsten der |
113 | Gesellschaft erreicht. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Kinder „sind geborene Lerner von Anfang an. Sie lernen dann |
2 | am erfolgreichsten und intensivsten, wenn man davon ausgeht, |
3 | was sie können, wenn man dieses Können zu schätzen weiß und |
4 | für ihr Weiterdenken nutzbar macht, indem man ihnen Probleme |
5 | zu lösen gibt, die ihre Fähigkeiten zu neuen |
6 | Bewältigungsversuchen herausfordern“. [FN: zit. nach: |
7 | Schäfer, Gerd E.: Bildung beginnt mit der Geburt. Förderung |
8 | von Bildungsprozessen in den ersten sechs Lebensjahren. 1. |
9 | Aufl. Weinheim/Basel/Berlin: 2003. In: Dreyer, Rahel: |
10 | a.a.O., S. 357. ] |
11 | |
12 | In einer digitalisierten Welt, in der Kinder immer zeitiger |
13 | in Kontakt mit neuen Medien kommen, stellen sich auch neue |
14 | Fragen an die Frühpädagogik. Die bislang vorhandenen |
15 | Konzepte versuchen, aktuelle entwicklungspsychologische und |
16 | lerntheoretische Erkenntnisse zu vereinen. Wissenschaftliche |
17 | Grundlagen bilden dabei vor allem die Neurobiologie sowie |
18 | die Säuglings- und Kleinkindforschung. Im Folgenden werden |
19 | einige der gegenwärtig diskutierten frühkindlichen |
20 | Bildungsansätze dargestellt. |
21 | |
22 | Frühpädagogische Bildungskonzepte gehen – vor allem im |
23 | offenen Bildungsansatz – von der Selbstständigkeit und |
24 | Selbstbestimmtheit eines Kindes aus. Auch müssen sie „in |
25 | Einklang mit dessen Möglichkeiten und Initiativen gebracht |
26 | werden“. [FN: zit. nach: Schäfer, Gerd E.: Bildung beginnt |
27 | mit der Geburt. Ein offener Bildungsplan für |
28 | Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. 2., |
29 | erweiterte Aufl., Berlin/Düsseldorf/Mannheim: 2005, S. 57. ] |
30 | Zudem ist es erforderlich, „sowohl die Sinnperspektive der |
31 | Kinder als auch die des sozialen Umfeldes und der sachlichen |
32 | Inhalte aufeinander“ abzustimmen. [FN: zit. nach: ebd., S. |
33 | 58.] Auf diese Weise wird den Kindern statt reiner |
34 | Wissensvermittlung ein forschendes Lernen ermöglicht. Die |
35 | Erzieherin bzw. der Erzieher übernimmt darin die Rolle der- |
36 | oder desjenigen, die oder der „die Kinder darin begleitet, |
37 | Bildungsprozesse im Rahmen sozialer und kultureller |
38 | Möglichkeiten weiter zu entwickeln“. [FN: zit. nach: ebd., |
39 | S. 58.] |
40 | |
41 | Der kompetenz- und instruktionsorientierte Ansatz hingegen |
42 | begreift Bildung eher als einen sozialen Prozess, „der in |
43 | einem spezifischen Kontext stattfindet, und an dem, neben |
44 | Kindern und Fachkräften, auch Eltern und andere Erwachsene |
45 | beteiligt sind“. [FN: zit. nach: Fthenakis, Wassilios E.: |
46 | Zur Neukonzeptionalisierung von Bildung in der frühen |
47 | Kindheit. In: Fthenakis, Wassilios E. (Hrsg.): |
48 | Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten |
49 | Bildungseinrichtungen werden können. Freiburg/Basel/Wien: |
50 | 2003, S. 27. ] Im Zentrum dieses Ansatzes steht das Kind als |
51 | eine eigenständige Persönlichkeit, das seine Bildung und |
52 | Erziehung mitgestaltet. Zugrunde liegt dem ein |
53 | Bildungsverständnis, das auf institutionalisierte und |
54 | systematisch strukturierte Lernangebote setzt und von einer |
55 | eher schulischen Form der Wissensvermittlung bzw. des |
56 | Lernens ausgeht. [FN: vgl.: Dreyer, Rahel: a.a.O., S. 356f. |
57 | ] Die Erzieherinnen und Erzieher sind hier weniger |
58 | Begleiter, sondern vielmehr Vermittler von Wissen und |
59 | Können. |
60 | |
61 | Das meist angewandte frühpädagogische Konzept ist bislang |
62 | jedoch der so genannte Situationsansatz. Hier werden Themen, |
63 | die im Lebensalltag der Kinder von Bedeutung sind so |
64 | strukturiert und geordnet, dass sie für diese handhabbar |
65 | werden. Ziel ist es, den Kindern die Kompetenzen zu |
66 | vermitteln, die sie für eine selbstständige Bewältigung |
67 | ihrer realen Lebenssituation benötigen. Es geht also um |
68 | Erfahrungs- und Bildungsprozesse, die Kinder und später auch |
69 | Jugendliche befähigen sollen, ihre Lebens(um)welt aktiv zu |
70 | gestalten. Ausgehend von realen Schlüsselsituationen |
71 | erwerben die Kinder mittels Beobachtung und |
72 | Situationsanalyse Ich-, sozial- und sachbezogene |
73 | Kompetenzen. Grundvoraussetzung für dieses Lernkonzept ist |
74 | das Interesse und aktive Mitwirken der Kinder. Nicht zuletzt |
75 | liegt dem Ansatz auch das Prinzip des gegenseitigen und |
76 | lebenslangen Lernens zugrunde. [FN: vgl.: ebd., S. 359ff. ] |
77 | |
78 | Das System, mit dessen Hilfe Kinder ihre Umwelt verstehen, |
79 | erfahren und einordnen, müssen sie selbst entwickeln. Die |
80 | Grundlage dabei bilden zunächst einfache Verhaltens- und |
81 | Verarbeitungsmuster. Frühkindliche Bildung ist, darüber ist |
82 | sich die Wissenschaft weitgehend einig, ein sehr komplexer |
83 | Prozess. Die kognitiven, aber auch kreativen Fähigkeiten des |
84 | Kindes ermöglichen dabei in unterschiedlichem Maße das |
85 | Filtern, Auswählen, Strukturieren, Einordnen, Deuten und |
86 | Nutzen von Umwelterfahrungen. Darüber hinaus sorgen soziale |
87 | Beziehungen dafür, dass Kinder in die Lage versetzt werden, |
88 | ihnen hilfreiche Erfahrungs- und Bedeutungsmuster |
89 | auszubilden. |
90 | |
91 | Frühkindliche Bildung ist kein ausschließlich innerer |
92 | Prozess. Er wird in vielfacher Hinsicht sozial geprägt und |
93 | verläuft ganz besonders im frühen Lebensalter sehr stark |
94 | innerhalb sozialer sowie kultureller Beziehungen. All diese |
95 | liegen auch der kindlichen Umweltwahrnehmung zugrunde. |
96 | Insofern benötigt frühkindliche Bildung immer einen |
97 | sachlichen, sozialen wie emotionalen Rahmen, in dem Kinder |
98 | ihre Erfahrungshorizonte eigenständig gewinnen und erweitern |
99 | können. Doch sollten Erwachsene – ob Eltern, Familie, |
100 | Erzieher oder Lehrer – die Wahrnehmungen der Kinder nicht |
101 | nur ermöglichen, fordern und fördern. Sie sollten mit den |
102 | Aufwachsenden auch in einen stetigen Austausch darüber |
103 | treten. [FN: vgl.: Schäfer, Gerd E.: Prozesse frühkindlicher |
104 | Bildung. (Typoskript). Köln: 2001, S. 6ff. Online abrufbar |
105 | unter: |
106 | http://www.hf.uni-koeln.de/data/eso/File/Schaefer/Prozesse_F |
107 | ruehkindlicher_Bildung_Duplex.pdf] Frühkindliche Bildung |
108 | muss all diese Aspekte im Blick behalten, wissenschaftlich |
109 | analysieren, in pädagogische Konzepte überführen und an die |
110 | Herausforderungen der Gegenwart wie Zukunft anpassen. Dies |
111 | wird umso notwendiger werden, je weiter und schneller die |
112 | (mediale) Digitalisierung des Alltags auch die Kleinsten der |
113 | Gesellschaft erreicht. |
-
Bewerten Sie die Original- und die eingebrachten Versionen eines Papiers, indem Sie über die Pfeile Ihre Zustimmung (hoch) oder Ablehnung (runter) ausdrücken. Sie können dabei auch mehreren Versionen zustimmen oder diese ablehnen.
-
Wählen Sie, ob Änderungen im Vergleich zur Originalversion hervorgehoben werden sollen.
-
Sie können hier auch eine neue Version des Papiers einbringen.
Vorschlag