Themensammlung für die PG Bildung und Forschung
In der Projektgruppe Bildung und Forschung werde ich als sachverständiges Mitglied mitarbeiten. Als Wissenschaftler interessiert mich dieser Bereich natürlich besonders. Das Arbeitsprogramm ist noch nicht erstellt, so dass Vorschläge noch berücksichtigt werden können. Aus meiner Sicht sind vor allem drei Aspekte besonders relevant:
Zum einen muss es um die Frage gehen, wie der "Service" vor allem der Hochschulen im Bereich Internet noch optimiert werden kann. Bei der Projektgruppe Medienkompetenz sind wir bereits auf die Frage der Verbesserung der Lehrerausbildung gestoßen. Möglicherweise gibt es noch andere Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht.
Zum zweiten sind die strukturellen Voraussetzungen der Internet-bezogenen Forschung in Deutschland unter die Lupe zu nehmen. Die Digitalisierung der Gesellschaft und die weltweite Vernetzung bringt für alle gesellschaftlichen Bereiche erhebliche Veränderungen mit sich, die es auch wissenschaftlich zu beobachten und zu analysieren gilt. Wie stehen wir da bislang im internationalen Vergleich da? HU, UdK und WZB gründen gerade - mit Unterstützung von Google - in Berlin ein neues Institut für "Internet und Gesellschaft"; hier werde ich mich auch selbst engagieren. In welchen Feldern sind weitere Initiativen sinnvoll und wie können sie aussehen? Hier kann es zu konkreten Handlungsempfehlungen für das Bundesforschungsministerium in seinem Kompetenzbereich kommen.
Schließlich geht es um die Frage der Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Viele fordern, dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungsprojekte in Ergebnissen münden müssen, die in der "Public Domain" frei verfügbar sind. Dies bedeutet in vielen Fällen allerdings eine grundsätzliche Abkehr von traditionellen Publikationsmustern. Die Qualitätssicherung bei Publikationen ist teuer und wird derzeit jedenfalls zum Teil von Verlagen getragen. Was sind die die Alternativen?
Über Anregungen zu diesen oder auch weiteren Themen würden wir uns freuen.
Modellrealist
Als Wissenschaftler möchte ich gerne eine Diskussion zu einem Thema anregen, die sowohl die internetbezogene Forschung als auch die Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen betrifft.
Meiner Meinung nach haben neue internetbasierte Formen der Wissensweitergabe und Kooperation ein erhebliches Potential, die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern zu fördern. Es gibt bereits viele Websites, die Wikis, Diskussionsforen, Werkzeuge zur Bewertung von vorhandenem Wissen, professionelle soziale Netzwerke usw. speziell für Wissenschaftler bieten. Diese sollten gerade in der Grundlagenforschung eigentlich längst alltäglich genutzt werden. Allerdings habe ich festgestellt, dass dies nur sporadisch der Fall ist, da zu wenige Freiwillige qualitativ hochwertige Beiträge leisten. Die Ursache dafür sehe ich darin, dass das Bewertungssystem wissenschaftlicher Leistungen keine Anreize dafür bietet und durch den enorm hohen Konkurrenzdruck jede Mehrarbeit sanktioniert.
Dieses Bewertungssystem basiert auf dem traditionellen Publikationssystem (Zeitschriftenartikel oder Buch), das sich seit vielen Jahrzehnten kaum verändert hat. Es ist ausgelegt auf abgeschlossene Projekte einer gewissen Mindestgröße, durchgeführt von wenigen Hauptautoren. Die Autorenschaft von Artikeln oder Büchern ist die einzige "Währung", die für die Fortführung der Karriere oder Einwerbung von Forschungsgeldern entscheidend ist. Ein Bewertungsbonus wird im Wesentlichen nur den Hauptautoren nach Reputation der Zeitschrift oder Anzahl von Zitaten zugerechnet. Es fehlt ein System, die Qualität und Umfang von kleinteiligeren Beiträgen sowie Bewertungsleistungen (bisher v.a. peer review) in einen fairen "Bonus" umrechnen kann. Im bisherigen System ist dies ungünstig und wurde oft kritisiert, für Beiträge in oben genannten neuartigen Systemen verhindert es jedoch eine Anerkennung komplett. Andererseits liegen bei neuartigen Publikationen wesentlich mehr Informationen vor, die eine Messung der Leistung theoretisch ermöglichen sollten. Wissenschaftliche Forschung zu solchen Metriken zusammen mit der späteren Berücksichtigung derselben im Prozess der Forschungsmittelvergabe könnte einem produktiveren Wissensaustausch mittels neuer Medien zum Durchbruch verhelfen. Dies ist eine Aufgabe für das BMBF und indirekt die DFG als wichtigste Wissenschaftsfinanzierer.
Später könnte eine neuartige Bewertung wissenschaftlicher Leistungen auch auf das traditionelle Publikationssystem angewendet werden und oft kritisierte Defizite beheben. Langfristig hat sie das Potential, sogar die Struktur wissenschaftlicher Kooperationen zu verändern. So werden z.B. komplexe Kooperationsprojekte, die sehr aufwendige Beiträge von mehr als zwei Experimentatoren erfordern und nicht in unabhängige Teile zerlegt werden können, zumindest in den akademischen Biowissenschaften meistens nicht durchgeführt, da die Leistung weiterer Beteiligter im bisherigen System nicht angemessen honoriert wird. Hier könnten neuartige Bewertungsmetriken wissenschaftlicher Leistungen, die Beiträge von einer größeren Anzahl von Autoren anerkennen, sogar die Leistungsfähigkeit der akademischen Forschung in diesen Bereichen erhöhen.