| 1 | Selbst wenn die Studierenden bezogen auf ihre |
| 2 | Freizeitnutzung positive Einstellungen gegenüber Medien |
| 3 | haben, bedeutet dies nicht notwendigerweise eine |
| 4 | entsprechende berufsbezogene Einstellung (Billes-Gerhart, |
| 5 | 2009). Als immateriellen hemmenden Faktor für den |
| 6 | Computereinsatz an Schulen identifizieren Schulz-Zander und |
| 7 | Eickelmann (2008, S. 7) computerbezogene Selbstkonzepte bei |
| 8 | den Lehrpersonen. Auf sozialisationsspezifische Einflüsse |
| 9 | verweisen neuere Studien, welche durch die Forschung im |
| 10 | Anschluss an Bourdieu geprägt wurden. Biermann (2009), |
| 11 | Henrichwark (2009) und Kommer (2010) verdeutlichen, wie |
| 12 | Habitusformen im Umgang mit und in der Bewertung von Büchern |
| 13 | und elektronischen Medien dazu führen, dass bei vielen |
| 14 | Lehramtsstudierenden ein differenzierter Umgang mit neuen |
| 15 | Medien nicht stattfindet. Größtenteils aufgewachsen in |
| 16 | Familien, in denen die Orientierung an der Buchkultur |
| 17 | leitend war und die elektronischen Medien kritisch |
| 18 | gegenüberstanden, wird auch innerhalb der Berufsrolle eine |
| 19 | herkunftsmilieubedingte Haltung beibehalten, die eine |
| 20 | professionelle Bearbeitung hemmt: Den neuen Medien wird ein |
| 21 | starker negativer Einfluss attestiert, es wird aber |
| 22 | pädagogisch wenig unternommen, um den Einfluss auf die |
| 23 | eigenen Schülerinnen und Schüler zu schmälern (s.o.). |
| 24 | |
| 25 | Für die Kultusminister der Länder schien es schon in den |
| 26 | 90er Jahren dringlich zu sein, dass ein Lehramtsstudium |
| 27 | Lehrkräfte befähigt, die Medienkompetenz der Schülerinnen |
| 28 | und Schüler zu fördern, damit diese sich in den Medienwelten |
| 29 | selbstbewusst und verantwortungsvoll bewegen können. |
| 30 | Außerdem soll es die angehenden Lehrerinnen und Lehrer |
| 31 | befähigen, Medien verstärkt für Lernen und Erziehen |
| 32 | didaktisch zu nutzen. Medienpädagogik sollte deshalb, so der |
| 33 | Bericht des Schulausschusses der Kultusministerkonferenz |
| 34 | (KMK) vom 11. Dezember 1998, „verpflichtender Bestandteil |
| 35 | sowohl der allgemein erziehungswissenschaftlichen als auch |
| 36 | der spezifisch fachdidaktischen Ausbildung in der ersten und |
| 37 | in der zweiten Phase der Lehrerausbildung sein“. Doch eine |
| 38 | medienpädagogische Grundbildung – wie von der KMK und |
| 39 | medienpädagogischen Expertinnen und Experten gefordert – ist |
| 40 | bisher nur in wenigen Bundesländern als verpflichtender |
| 41 | Bestandteil in der Lehrerbildung umgesetzt worden. [FN: |
| 42 | Anmerkung: Als Vorschlag zur praktischen Umsetzung hat das |
| 43 | Hochschulnetzwerk »Lehrerausbildung und neue Medien« bereits |
| 44 | vor Jahren für die erste Phase der Lehrerbildung ein |
| 45 | Mindestcurriculum formuliert, das eine Pflichtveranstaltung |
| 46 | sowie zwei Wahlpflichtveranstaltungen vorsieht. |
| 47 | In Baden-Württemberg wurde mit der Verordnung des |
| 48 | Kultusministeriums über die Erste Staatsprüfung für das |
| 49 | Lehramt an Grundschulen (Grundschullehramtsprüfungsordnung |
| 50 | I - GPO I) vom 20. Mai 2011, § 7 und der Verordnung des |
| 51 | Kultusministeriums über die Erste Staatsprüfung für das |
| 52 | Lehramt an Werkrealschulen, Hauptschulen sowie Realschulen |
| 53 | (Werkreal-, Haupt- und Realschullehramtsprüfungsordnung - |
| 54 | WHRPO I) vom 20. Mai 2011, § 7 die Lehramtsausbildung |
| 55 | modifiziert und Medienpädagogik durchgängig und verbindlich |
| 56 | berücksichtigt. Auch Niedersachsen legte jüngst das Konzept |
| 57 | „Medienkompetenz in Niedersachsen – Meilensteine zum Ziel“ |
| 58 | vor, mit dem die Systematisierung und Verstetigung von |
| 59 | Medienbildung in Niedersachsen erreicht werden soll.] |
| 60 | |
| 61 | Auch wenn der Bereich nominell in den Prüfungsordnungen |
| 62 | auftaucht, bleibt er in den Studienordnungen und in der |
| 63 | Prüfungspraxis in der Regel optional, d.h. der Besuch |
| 64 | entsprechender Lehrveranstaltungen ist nicht verbindlich und |
| 65 | das Thema kann für die Prüfung weggelassen werden. [FN: |
| 66 | vgl.: Pietraß, M. & Hannawald, S.: Der Stand der |
| 67 | universitären Medienpädagogik: Professuren, Studiengänge und |
| 68 | Studienabschlüsse. Erziehungswissenschaft, 2008 (36), |
| 69 | Breiter, A., Welling, S., Stolpmann, B.: Medienkompetenz in |
| 70 | der Schule. Integration von Medien in den weiterführenden |
| 71 | Schulen in Nordrhein-Westfalen. Berlin und Kammerl, R. / |
| 72 | Mayrberger, K.: Medienpädagogik in der Lehrerinnen- und |
| 73 | Lehrerbildung in Deutschland: Aktuelle Situation und |
| 74 | Desiderata. In: Döbeli, B. / Petko, D. (Hrsg.): Digitale |
| 75 | Medien als Thema und Werkzeug der Lehrerinnen- und |
| 76 | Lehrerbildung. Beiträge zur Lehrerbildung. 29. Jahrgang, |
| 77 | Heft 2/2011, S. 172-184 ] Insgesamt betrachtet ist |
| 78 | festzuhalten, dass es in den letzten Jahren faktisch leider |
| 79 | noch nicht in ausreichendem Maße zu Veränderungen bei der |
| 80 | medienbezogenen Lehrerbildung in Deutschland gekommen ist. |
| 81 | Vielmehr wurden im Zuge der Restrukturierung von |
| 82 | Studiengängen stellenweise medienpädagogische |
| 83 | Studienangebote – nicht nur in den Lehramtsstudiengängen – |
| 84 | eingebüßt. |
| 85 | |
| 86 | Die theoretische und empirische Fundierung der Verankerung |
| 87 | medienpädagogischer Inhalte wurde in den letzten Jahren in |
| 88 | Deutschland maßgeblich durch das Konzept „Medienkompetenz“ |
| 89 | geprägt, dessen theoretische Beschreibung stark von Dieter |
| 90 | Baacke beeinflusst wurde (vgl. Baacke, 1988; Herzig, 2004). |
| 91 | Aufbauend auf dem kompetenztheoretischen Ansatz wurde |
| 92 | versucht, die Professionalität medienpädagogischen |
| 93 | Lehrerhandelns mit Konzepten zur „medienpädagogischen |
| 94 | Kompetenz“ zu bestimmen (Blömeke, 2000) [FN: Anmerkung: |
| 95 | Darunter versteht sie (1) die persönliche Medienkompetenz |
| 96 | von Lehrerinnen und Lehrern, (2) ihrer |
| 97 | sozialisationsbezogenen, (3) mediendidaktischen und (4) |
| 98 | medienerzieherischen Kompetenz sowie (5) ihrer |
| 99 | Schulentwicklungskompetenz im Medienzusammenhang.]. Auf die |
| 100 | Notwendigkeit, die medienpädagogische Kompetenz in einer |
| 101 | allgemeinen Theorie der Lehrerbildung zu verorten, weisen |
| 102 | Tulodziecki und Herzig (2002, S. 58ff) sowie Spanhel (2001, |
| 103 | S. 279) hin. Mit Blick auf die zentralen beruflichen |
| 104 | Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern [FN: Anmerkung: 1970 |
| 105 | hatte der Deutsche Bildungsrat „Erziehen“, „Unterrichten“, |
| 106 | „Beurteilen“, „Beraten“ und „Innovieren“ als die fünf |
| 107 | zentralen beruflichen Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern |
| 108 | benannt. Insbesondere die durch eine akademische Ausbildung |
| 109 | ermöglichte Fähigkeit zur Unterrichts- und Schulentwicklung |
| 110 | begründet die Erwartung, dass Lehrkräfte aktiv eine |
| 111 | curriculare Integration der Medienbildung betreiben, wenn |
| 112 | der entsprechende Rahmen vorgegeben ist.] sind die |
| 113 | medienpädagogischen Kompetenzen theoretisch und empirisch |
| 114 | noch weiter auszudifferenzieren und in der Lehrerbildung |
| 115 | anzubahnen. |
| 116 | |
| 117 | In der sich gegenwärtig entwickelnden empirischen |
| 118 | Lehrerbildungsforschung ist ein Schwerpunkt auf die |
| 119 | deskriptive und evaluative Erfassung erforderlicher |
| 120 | Kompetenzen von Lehrkräften sowie deren Aneignung und |
| 121 | Entwicklung in den unterschiedlichen Phasen der |
| 122 | Berufsbiographie ausgerichtet. |
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01.04.01 Lehrkräfte an Schulen / Innovationskräfte der Unterrichts- und Schulentwicklung (Originalversion)
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